Die Faszination des Bösen - Warum sind böse Antas eigentlich beliebt?

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  • Aidan
    Moderator
    • 03.09.2023
    • 347

    Die Faszination des Bösen - Warum sind böse Antas eigentlich beliebt?

    Ihr Lieben!

    Ich habe mal eine Frage.
    Die Faszination des Bösen - was macht sie aus? Es gibt ja auch hier einige, die sehr dark schreiben, und ich habe schon oft gelesen, dass gerade die fiesesten Mistkerle, die bösesten Abgründe so gefeiert werden. Und das finde ich sehr interessant. Denn ich glaube, keiner würde diese Figur feiern, wenn man selbst das Opfer von ihr wird oder im Realen ihr gegenüber stände.
    1. Was macht für euch die Faszination daran aus?
    2. Warum liebt und feiert ihr die Bösewichte, die sich Dinge erlauben, die jenseits von allem erträglichen sind?
    3. Und wo wäre eure Grenze dann erreicht, die rote Linie, die sie nicht überschreiten dürfen?
    4. Was motiviert euch dazu, solche Figuren/Geschichten zu schreiben oder zu lesen?

    Warum ich frage? Weil es mir schwer fällt, diese große Liebe zu verstehen. Ich checke es nicht.

    Vielleicht könnt ihr mir das erklären?

    Ich bin gespannt auf eure Antworten!
  • Pfingstrose
    Kaffeetrinker
    • 14.12.2024
    • 75

    #2
    Oh. Da hast du was angerissen 😂.
    Dieser Beitrag ist wie für mich gemacht xd.
    1. Was macht für euch die Faszination daran aus?
    Das sind bei mir verschiedene Dinge. Eines davon ist, einen Chara mit ganz anderen Eigenschaften schreiben zu können als ich bin oder auslebe. Heißt zum Beispiel selbstbewusst oder frech. Oder kalt oder, oder. Einfach das Gegenteil von mir oder von dem was ich sein möchte. Oder auch (verborgene Wünsche oder Sehnsüchte) Zum Beispiel jemandem mal gerne die Meinung sagen wollen und das in der Realität nicht tun, aber der Anta ist dann scharfzüngig (oder der Prota oder sonst wer)

    Zum anderen haben alle Menschen gute und auch schlechte Charakterzüge, das ist ganz normal. Wie schon oben beschrieben fasziniert uns häufig etwas, das wir selbst gar nicht sind oder uns nie trauen würden oder nie erleben können.
    Die Protas befinden sich meist in einem Bereich, in dem sich viele wiederfinden oder sehen. (So Normbereich. Normale Werte etc) Und die Antas sind dann eher die Schattenseiten oder auch etwas oder jemand auf den man Emotionen abladen kann.
    1. Warum liebt und feiert ihr die Bösewichte, die sich Dinge erlauben, die jenseits von allem erträglichen sind?
    Jenseits von allem erträglichen nicht. Kann ich nicht. Weil ich irgendwo dann noch meine eigene Grenze habe. Aber die ist anders beim Prota als beim Anta. Das hat auch was mit Held und Schurke zu tun und was diese verkörpern (sollten). Wobei sich das mittlerweile auch sehr aufgeweicht hat und immer mehr Grauzonen auftauchen.
    Und ich liebe Grau. Weil es in der Realität weder ganz gut noch ganz böse bei den Menschen gibt. Alle bewegen sich irgendwo zwischen den beiden großen Polen.
    Und wahrscheinlich ist es eben auch das; sich im Grau wiederfinden zu können.
    1. Und wo wäre eure Grenze dann erreicht, die rote Linie, die sie nicht überschreiten dürfen?
    Was ich selbst nicht lesen möchte oder schreibe ist ausgeschriebener sexueller Missbrauch.
    1. Was motiviert euch dazu, solche Figuren/Geschichten zu schreiben oder zu lesen?
    -Mich im Grau wieder zu finden
    -Dinge tun oder lesen zu können, die ich nicht bin, nie tun würde etc
    -Eventuell einen anderen Blickwinkel auf gewisse Themen zu bekommen.
    -Verarbeitung von gewissen Themen/Erlebnissen
    Zuletzt geändert von Pfingstrose; 06.02.2025, 21:01.

    Kommentar

    • Aidan
      Moderator
      • 03.09.2023
      • 347

      #3
      Hi Pfingstrose !

      Vielen Dank für deine Antwort! Spannend.

      Kommentar

      • Yamuri
        Kaffeejunkie
        • 04.09.2023
        • 440

        #4
        Was macht für euch die Faszination daran aus?

        Ehrlich gesagt - ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, warum ich manche Antagonisten interessanter finde. Was mich an ihnen so fasziniert.
        Es könnte sein, dass es die Faszination des Verbotenen ist.
        Ich hatte immer schon Probleme damit, dass andere irgendwelche Regeln aufstellen, die für mich keinen Sinn ergeben, mir vielleicht sogar schaden und ich mich daran halten muss, weil irgendwer meint - das sei Gesetz.
        Und dann sehe ich Antagonisten, die einfach tun, was sie wollen, sich nehmen, was sie wollen und damit durchkommen.
        Ich mag Antagonisten, die Macht haben, die manipulativ sind, die klug sind und damit durchkommen. Ich mag aber auch Helden, die klug sind. Und ich mag Menschen generell, die bereit sind für ihre Ideale auch Gesetze zu brechen. Ich mag Anti-Helden oder kriminelle Helden, Figuren, die sich nicht von Autoritäten aufhalten lassen, von Gesetzen und Regeln. Ich mag das Prinzip - der Zweck heiligt die Mittel, obwohl ich weiß, dass er das halt nicht tut.

        Warum liebt und feiert ihr die Bösewichte, die sich Dinge erlauben, die jenseits von allem erträglichen sind?

        Ich glaube, dass die Gründe unterschiedlich sind. Warum liebe ich Moriarty? Warum liebe ich Xu Zhengqing? Warum liebe ich Loki?

        Was haben sie alle gemeinsam? Sie sind klug, sie sind kreativ, sie sind manipulativ, sie haben Macht, sie nehmen sich, was sie wollen, sie führen andere an der Nase herum und kommen damit durch, sie lügen, betrügen und machen dabei noch eine gute Figur, im Sinne von, sie wirken dabei nicht böse, sondern zeitweise sogar so, als wären sie eigentlich gute Menschen. Sie stehen zu ihren Werten, auch wenn diese falsch sind. Sie sind sich selbst treu, bis zum bitteren Ende. Sie ordnen sich niemandem unter und haben die absolute Kontrolle über ihre eigenen Entscheidungen. Sie sind nicht abhängig von Gesetzen oder Regeln, von Moral und Pflichten.

        Und wo wäre eure Grenze dann erreicht, die rote Linie, die sie nicht überschreiten dürfen?

        Ich dachte mal, dass es eine rote Linie gäbe. Inzwischen weiß ich, dass die nicht so klar ist, wie ich dachte. Ich dachte mal, es sei unverzeihlich, wenn eine Figur eine andre sexuell missbraucht. Seit Xu Zhengqing weiß ich, dass ich diese Figur dafür nicht hassen kann. Ich weiß nicht was das ist, aber ich mag Xu. Ich liebe diesen Antagonisten, diesen Kriminellen. Er ist einfach faszinierend. Und ich dachte immer, ich liebe die meisten Antagonisten nur wenn sie gut aussehen. Tut Xu nicht. Der ist ein alter Mann. Der sieht nicht sonderlich attraktiv aus. Er hat ein charakteristisches Gesicht. Er ist klug, manipulativ, ein super Schauspieler. Aber er ist gewiss kein Schönling. Das Äußere ist mir egal, seine Verbrechen sind mir egal, etwas an ihm fasziniert mich einfach an ihm. Ich weiß es nicht, ich verstehe es noch nicht. Er ist einfach genial, wie Moriarty. Aber da mag ich Sherlock genauso gern.

        Meine noch vorhandene rote Linie - was ich nicht mag sind Figuren, die andre sinnlos abschlachten. Sinnfreies töten, wie in Splattern mag ich nicht. Tatsächlich mag ich die Antagonisten in Horrorfilmen nie, Michael Meyes ausgenommen (was aber nur an zwei Folgen liegt, in denen er menschlicher gezeigt wurde im Umgang mit einem Kind das er nicht getötet hat - da hatte ich einen Moment des Mitgefühls und fragte mich, was hat diesen Mann zu diesem Monster werden lassen und gibt es eine Möglichkeit der Heilung?). Das ich Antagonisten mag passiert mir fast ausschließlich bei Fantasy, Science-Fiction, Abenteuer, gut gemachten Krimis (wobei es da weniger die Antagonisten per se sind, sondern eher kriminelle Helden, die ich mag).

        Was motiviert euch dazu, solche Figuren/Geschichten zu schreiben oder zu lesen?

        Ich mag es wenn Figuren klug sind. Am Liebsten mag ich es, wenn sie klüger sind als ich, kreativer als ich. Wenn sie mich zum Nachdenken bringen, zum Rätseln. Wenn sie meinen Horizont erweitern, mich herausfordern. Ich mag es, wenn sie mich teilhaben lassen an einem Gefühl von absoluter Macht. Ich mag es auch wenn sie mich zum Lachen bringen durch ihre Art. Ich mag es mit ihnen zu reisen und zugellos sein zu dürfen, frei, und chaotisch, ohne bestraft zu werden, weil es ja fiktiv ist. Ich mag es kriminell sein zu dürfen in einer Geschichte, Dinge zu tun, die verboten sind. Ich würde sagen, für mich macht den Reiz wohl wirklich das Verbotene aus und die absolute Freiheit und Macht. Ich mag auch nicht alle bösen Antas. Es sind ganz bestimmte Antas, die ich mag. Aber die, die ich mag sind oft kluge, kreative, manipulative Personen, Trickster-Gestalten. Oder Antagonisten, die hohe Ideale habe, aber die falschen Mittel einsetzen.

        Kommentar

        • Araluen
          Moderator
          • 04.09.2023
          • 283

          #5
          1. Was macht für euch die Faszination daran aus?
          Für mich kommt die Faszinatin am Bösen aus dessen Überlegenheit und die Macht, die eine böse Figur ausübt. Eine böse Figur dominiert jede Situation und lenkt sie. GLeichzeitig schwingt dabei auch eine Faszination für die dunkle Seite mit. Letztlich ist es auch ein gewisser Neid, dass solche Figuren Dinge tun, die man selbst nicht wagen würde (in der Regel absolut zurecht) und sich einfach nehmen, wovon sie glauben, dass es ihnen zusteht.
          Allgemein glaube ich, dass sich Antagonisten manchmal sogar größerer Beliebtheit erfreuen als Protagonisten, liegt auch daran, dass ein Protagonist in seiner Essenz immer jemand ist wie du und ich, wie schon Pfingstrose schreibt. Das ist ja auch richtig so. Man soll sich in den Protagonisten hineinversetzen können und teilweise so in die Geschichte eintauchen, dass man quasi mit dem Protagonisten Plätze tauscht. Das funktioniert natürlich nur, wenn der Protagonist einem vertraut ist. Der Antagonist dagegen ist der Gegenentwurf zum Protagonisten. Er ist die fremde Kraft, an der sich der Protagonist aufreiben muss, um sich weiter zu entwickeln. Der Antagonist ist fremd, man könnte auch sagen exotisch und allein schon deswegen interessant.

          2. Warum liebt und feiert ihr die Bösewichte, die sich Dinge erlauben, die jenseits von allem erträglichen sind?
          Ich würde nicht sagen, dass ich solche Bösewichte feiere, aber es ist faszinierend - ja auch jenseits allem erträglichen, wenn ich an einige True Crime Fälle denke, die ich so kenne und trotz aller Grausamkeit faszinierend finde (Toybox-Killer mals als Beispiel). Ich feiere dabei nicht den Täter, sondern blicke auf die Tat und frage mich: Was muss im Kopf eines Menschen vor sich gehen, um zu so etwas fähig zu sein?

          3. Und wo wäre eure Grenze dann erreicht, die rote Linie, die sie nicht überschreiten dürfen?
          Wenn ich wieder mehr auf die Literatur schaue: Wenn nicht absolut zwingend nötig, sind die Hände von Kindern wegzulassen. Bei literarischen Antagonisten schätze ich auch keine sinnlose Grausamkeit. Böse weil Böse zieht bei mir nicht, ebensowenig Weltuntergang weil will ich so.

          4. Was motiviert euch dazu, solche Figuren/Geschichten zu schreiben oder zu lesen?
          Was motiviert mich so eine böse Figur zu schreiben? All das auszuleben, was ich in der Realität nicht ausleben kann (außer im eng gesteckten Rahmen einer BDSM Session) vor allem im Bezug auf Macht und Dominanz und ja auch mit der damit einhergehenden Grausamkeit und Kompromisslosigkeit. Außerdem ist es eine intellektuelle Herausforderung so eine Figur zu schreiben.
          Warum lese ich solche Figuren (vor allem True Crime oder Thriller)? Es ist der Blick in den dunklen Abgrund, die Frage nach dem Warum und immer wieder die Feststellung: Kann man sich nicht ausdenken, wozu manch einer fähig ist (sei es nun ein Thriller Autor und die Taten, die er seinem Bösewicht andichtet oder ein echter Täter)

          @Yamuri: Warum liebe ich Moriarty?
          Spannend, gerade bei Moriarty bin ich absolut auf der Seite von Holmes. Denn Holmes hat alles, was Moriarty auch hat, nur eben ein Gewissen (was ja auch so angedacht war, von Doyle. Moriarty ist Holmes dunkles Spiegelbild). Wenn ich an der Stelle die Wahl habe, wähle ich das Gute.

          Kommentar


          • Araluen
            Araluen kommentierte
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            Naja Moriarty tritt in den Originalen 1x direkt in Erscheinung, sodass es sehr wenig Interaktion zwischen den beiden. Lange ist er lediglich Holmes fixe Idee, an die nur er selbst glaubt.
            In den Pastichen taucht er noch hin und wieder auf unter der Prämisse, dass auch er die Reichenbachfälle überlebt hat.
            Wenn es um den Moriarty aus Sherlock geht: Sorry, der ist grauenhaft und hat nichts mit dem Genie des Originals zu tun... trotziges Kind trifft es eher

          • Pfingstrose
            Pfingstrose kommentierte
            Kommentar bearbeiten
            Araluen. Ich bin auch ein Moriarty Fan. Aber aufgrund des Mangas. Da erfährt man aber viel mehr von ihm und seinen Freunden, die ihm bei allem helfen. Das ist nicht mit Sherlock BBC (Serie) oder so vergleichbar.

          • Araluen
            Araluen kommentierte
            Kommentar bearbeiten
            Moriarty hat keine Freunde, nur Anhänger und Handlanger
            Spaß bei Seite. Ja, die Figur hat ihre ganz eigene Popkultur und das Original bietet eine gute Grundlage für einen guten Antagonisten.
            Ich kenn auch eine Pastiche, da ist er der Halbbruder von Oskar Wilde und führt im Grunde einen Rachefeldzug gegen dessen Familie. Zudem hat er in der Geschichte einen Ödipuskomplex und lebt nahezu symbiotisch mit seiner Mutter zusammen, die auch die Triebkraft seiner Bösartigkeit ist. Am Ende tappen beide in Holmes Falle und der Henker von London macht Mutter und Sohn einen Kopf kürzer... ach und Watsons Frau Mary Morsten heißt eigentlich Moran und wurde von Moriarty als Maulwurf eingesetzt (sie stirbt ebenfalls).
            Man kann ne Menge draus machen.
        • Niam
          Redakteur
          • 05.09.2023
          • 101

          #6
          Das ist eine spannende Frage, die sich – denke ich - so einfach nicht beantworten lässt und zudem Stoff für wirklich viele, interessante Gespräche geben würde.

          Für mich beginnt das Ganze schon mit der Definition „Böse“ bzw. „Bösewicht“ und der persönlichen Toleranz bzw "Schmerzgrenze", würde ich sagen.

          Wann ist jemand böse? Wenn z.B. eine Person eine andere Person foltert, um denjenigen zu zwingen zu sagen, wo derjenige ein Opfer versteckt hat, das z.B. weggesperrt wurde und zu verhungern/verdursten/ertrinken/erfrieren droht, wenn man es nicht rechtzeitig findet?
          Wenn sich dann aber herausstellt, dass das besagte Opfer selbst Unschuldige oder hilflose Personen gequält und/oder getötet hat (auch aus eigenen Gründen)….?
          Wer ist dann böse oder der böseste Bösewicht - und ab wann/wo zieht man die Grenze?
          Jede Person hat Gründe für ihre Taten und sieht ihre Handlungen oft auch als gerechtfertigt an.


          Es ist ja auch so, dass jeder Mensch eine unterschiedlich hohe Gewaltbereitschaft aber auch unteschiedlichen Einstellungen zum Thema "Gewalt" hat.
          Galt bei unseren Großeltern noch die „gsunde Watschn“ (Ohrfeige) als wichtiges und richtiges Erziehungsmittel, ist es heute verpönt, auch wenn alles Reden nichts nützt, ein „handfestes STOP“ zu geben. (Ausgenommen vielleicht bei gesellschaftlich akzeptieren BDSM-Spielen bzw. bei allem, was gerade „in“ ist.)


          Früher haben die Leute selbst Tiere geschlachtet und gegessen, heutzutage ist das für viele Menschen gewalttätig, grausam und unmenschlich .
          In anderen Kulturen z.B. gelten gewisse Praktiken oder Erziehungsmethoden, die in unserer Gesellschaft mit Unverständnis betrachtet werden, vielleicht geächtet oder/und unter Strafe gestellt sind, als völlig normal.


          Was macht für euch die Faszination daran aus?
          Ich denke das jeder von uns zumindest schon von abscheulichen Verbrechen gelesen hat, bei dem das eigene Gerechtigkeitsempfinden hochgekocht ist. Vielleicht hat man sich gewünscht, dass der Betreffende tot umfällt, das Gleiche erleidet, wie sein Opfer, ewig weggesperrt wird, lebenslangen Brechdurchfall erleidet oder was auch immer. In nahezu jedem von uns kämpfen „das Engelchen“ und „das Teufelchen“ miteinander und wir bewerten Situationen und Handlungen nach unserem persönlichen Rechts- und Unrechtsempfinden. (Das nicht immer bei allen dasselbe sein mag.) Ich persönlich denke auch, dass es durchaus für nahezu jeden Menschen (aus welchen Gründen auch immer) einen Punkt gibt, an dem er „kippt“ und dann dazu fähig ist zu quälen und/oder zu töten.

          Nachdem in unserer Gesellschaft also eher wenige Menschen den „inneren Rambo“ freilassen dürfen, wollen oder können, kann es für so manche Person durchaus befreiend sein, wenn der Antagonist (aus Lesersicht) oder (aus Schriftstellersicht) man selbst als „Bösewicht“ den verhassten Gegner/Charakter/Protagonisten/Nebencharakter literarisch genüsslich quält und/oder abmurkst. (Ich habe einmal von einem Krimiautor gelesen, der Menschen, über die er sich furchtbar geärgert hat, mit großer Genugtuung in seinen Romanen als Opfer und Leidtragende eingebaut und nach allen Regeln der Kunst abgemurkst hat.)

          ! Allerdings ! ist für mich als Leser, Rezensent oder auch wenn ich etwas schreibe bei allen Figuren und auch speziell bei „Bösewichten“ in Gewalt- und/oder Kampfszenen wichtig, dass sie zum Geschichtsverlauf bzw. -verständnis und/oder zur Charakterentwicklung der Figur(en) beitragen und eine wichtige Rolle in und für die Story spielen.

          Seitenweises Foltern, womöglich noch in akribisch genau beschriebenen Einzelheiten, das sich immer wieder und wieder – nur in anderen Konstellationen - wiederholt und faktisch nur „aus Spaß an der Freude“ zelebriert wird, ist ebenso öde, mühsam und uninteressant zu lesen wie z.B. minutiös und exakt beschriebene Sex- oder auch Kampfszenen, die sich – unter dem Mantel eines „Romans“ (egal aus welchem Genre) – nervig von Kapitel zu Kapitel ziehen und eigentlich nichts zur Handlungs- oder Charakterentwicklung beitragen. Bösewichte, die in Folter-/Sexexzessen (oder was auch immer) festhängen, entwickeln sich nicht weiter und interessieren mich nicht. Daher hat auch ein Buch mit so einem Inhalt dann keine Chance, von mir gelesen oder weiterempfohlen zu werden.

          Warum liebt und feiert ihr die Bösewichte, die sich Dinge erlauben, die jenseits von allem erträglichen sind?
          Ich würde Bösewichte nicht feiern oder lieben, sondern finde sie – sofern sie mit einer interessanten Geschichte ausgestattet sind und ihre Handlungen interessant, klug und im Endeffekt (durch den Verlauf der Geschichte) auch nachvollziehbar sind – sehr spannend.
          Es gibt so viele Menschen mit anderen Ansichten, als ich sie habe, anderen Motive und anderen Triggern für die unterschiedlichsten Handlungen – gerade das macht eine Geschichte oft faszinierend. Vor allem, wenn unterschiedliche oder vielleicht auch generell unverträgliche Charaktere zusammentreffen und zusammenarbeiten müssen um zu überleben, jemanden zu retten oder was auch immer....


          An sich hat ja jeder Mensch Gründe für das, was er tut – oder auch nicht tut. Ich denke es ist eine der größten Herausforderungen für Autoren aber auch Leser, sich mit Figuren auseinanderzusetzen, die so gar nicht dem eigenen Charakter entsprechen oder ihnen sogar entgegengesetzt sind.

          Und wo wäre eure Grenze dann erreicht, die rote Linie, die sie nicht überschreiten dürfen?
          Wie oben schon gesagt, meine Grenze ist erreicht, wenn Gewalt/Sex/Folterszenen nichts zur Charakterentwicklung der Figuren, des Verständnisses für den Geschichtsverlauf oder der
          Storyentwicklung beitragen, sondern wenn die Exzesse oder Orgien nur „um selbst Dampf abzulassen“, „eigene Fantasien unter die Leute zu bringen“ oder aus persönlicher Begeisterung an der Tat oder für den/die Täter geschrieben werden/wurden.


          Was motiviert euch dazu, solche Figuren/Geschichten zu schreiben oder zu lesen?
          Mich interessieren gut ausgearbeitete, spannende Charaktere, die sich feinsinnige Kämpfe liefern. Figuren, bei denen nicht (nur) die rohe Gewalt die Hauptrolle spielt, sondern viel mehr hinter der ganzen Sache steckt, als im ersten Moment zu erkennen ist. Ist der Bösewicht dann noch gepflegt, scharfsinnig, vielleicht recht charmant und wird nicht (permanent) als rein brutaler Gegner gezeigt - und hat er auch noch (aus seiner Sicht) durchaus gut nachvollziehbare Gründe, entsteht aus einem „Bösewicht“ eine dreidimensionale Figur. Wird dann auch noch die ganze Gefühls- und Handlungspalette, über die auch der Protagonist verfügt mit eingewebt, kann auch ein Antagonist zu einer durchaus „mögbaren“, sogar etwas sympathischen oder vielleicht auch "nur" zu beeindruckenden bzw. erinnerungswürdigen Figur werden.

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