Eine eigene Welt erschaffen: Wo anfangen? Wie weitermachen?

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  • Rhagrim
    Moderator
    • 03.09.2023
    • 388
    • Staring down the Abyss

    Eine eigene Welt erschaffen: Wo anfangen? Wie weitermachen?

    Eine komplette, eigene Welt zu erschaffen, ist... ein schönes Stück Arbeit und kann schnell überfordernd wirken, wenn man gerade erst damit anfängt. Was gibt es alles zu beachten? Wo fange ich an? In welcher Reihenfolge? Und wie gut ausgearbeitet und realistisch muss es überhaupt werden?
    Beim Weltenbau gibt es meiner Meinung nach kein eindeutiges "richtig" und kein "falsch", und jeder findet eine andere Herangehensweise, die ihm persönlich am besten entspricht. Für manche stellt die Erschaffung einer Conworld (constructed world) ein eigenes Hobby dar, während sich andere damit begnügen, nur soviel “Welt” wie notwendig zu erschaffen, um ihrer Geschichte eine Kulisse zu bieten, da sie sich lieber auf das Erzählen derselben konzentrieren möchten. Manche sehen eine bis ins letzte Detail ausgearbeitete Welt als Qualitätsmerkmal guter High Fantasy Fantasygeschichten – ich bin der Meinung, dass man das nicht pauschal so sagen kann, denn letzten Endes reicht es nicht, “nur” eine tolle Welt zu erschaffen.
    Denn gerade als Autor muss man auch deren Geschichten erzählen und Leser damit fesseln können.

    Ich selbst bekenne mich zu den Weltenbau-Nerds, die es einfach lieben, die eigene Welt zu erschaffen, zu bereisen und dabei all ihre Geschichten zu erforschen. Keine einfache Aufgabe, und so mancher wird sich an diesem Punkt vielleicht fragen, wo man bei so einem gewaltigen Projekt denn überhaupt anfangen soll.
    Ich persönlich orientiere mich gerne am Konzept meiner Weltenbau-Pyramide, anhand derer man eine komplette Welt von Grund auf mit einem soliden Fundament erstellen kann, das in der Lage ist, sämtliche Kulturen mit all ihren Geschichten, über alle Zeitalter der Welt hinweg, zu tragen.

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    Die Stufen der Pyramide

    Beginnend von unten am breiten Sockel der Pyramide, widmet man sich zunächst den Grundbausteinen des Planeten selbst – seinen Naturgesetzen und der Funktionsweise von Magie, so man diese einbauen möchte. Außerdem empfiehlt es sich, zumindest eine grobe Skizze einer Weltkarte anzufertigen, um “etwas” in der Hand zu haben, worauf man aufbauen kann (selbst wenn sich der Entwurf im Laufe der Zeit noch 10x ändert )

    Jeder Punkt baut auf den vorhergegangenen auf und profitiert davon, wenn man die Pyramide Schritt für Schritt durcharbeitet, anstatt einzelne Stufen zu überspringen. Tiere passen sich zum Beispiel optimal an ihre Umwelt an – arbeitet man also zunächst ihre Lebensräume aus, so bietet dieser Grundstock eine wichtige Stütze, um im nächsten Schritt eine realistische Tierwelt darin anzusiedeln.

    Das gilt auch für die darüberliegende Stufe der Völker, die wiederum nicht nur ihre Lebensweise an ihre Umwelt und die darin exitierenden Rohstoffe und Gefahren anpassen, sondern auch ihre Gesellschaftsformen, ihre Religionen, Bräuche und Weltbilder darauf gründen.

    Die Art und Weise, wie die Völker leben und denken beeinflusst wiederum ihre Rolle in der Weltgeschichte. Sind es Eroberer, oder Entdecker? Sind es fanatische Gläubige, die Andersgläubige bekehren oder vernichten wollen? Sind es tolerante Kulturen, die um Frieden und Verständnis bemührt sind? Sind es unbekanne, von der Zivilisation abgeschnittene Kulturen, die sich völlig anders als der Rest der Welt entwickelt haben?

    Ich denke, das Prinzip der Pyramide wird schnell klar und die Möglichkeiten, sie sich einem im Weltenbau bieten, sind nahezu grenzenlos. Die einzigen Grenze, die es gibt, ist die eigene Vorstellungskraft, weshalb ich empfehle, diese zu schulen.

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es einfacher wird, Neues zu erschaffen, wenn man sich von dem, was bereits existiert, inspirieren lässt. Je mehr man über unsere Welt mit all ihren Wundern und ihrer Vielfalt weiß, desto mehr kann man diesem Wissen mit der eigenen Fantasie Flügel verleihen und “realistisch” mit “fantastisch” verschmelzen.

    Ich sehe Wissen jeglicher Art als wertvollen Pool, den man sich anhäuft, um aus ihm zu schöpfen. Zu diesem Zweck habe ich mich durch unzählige Sach- und Fachbücher durchgearbeitet, nur um festzustellen, dass ich vielen dieser dicken, trockenen Schinken gar nichts abgewinnen kann. Letztlich bin ich immer wieder bei denselben Büchern gelandet, die mir sowohl Information, als auch Inspiration schenken.

    Mein "Basic" Weltenbau Set:
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    Die DK Bildbände sind für mich persönlich eine unschätzbar wertvolle Quelle an Inspiration, die ich immer wieder gerne zur Hand nehme – obwohl ich sie mittlerweile in- und auswendig kenne. Sie bieten kurzweilige Informationen über alle wichtigen Aspekte unserer Welt und damit nicht nur in gewissem Maß eine extrem umfassende “Checkliste” der Punkte, die man beim Weltenbau berücksichtigen kann, sondern auch ein solides Grundwissen, auf welches man aufbauen kann.


    Die Pyramide ist für mich ein Richtwert, ein "Cheatsheet" wenn man so will. Ansonsten entsteht meine Welt teils wie ein Puzzle, mal hier, mal da, wie es der Inspiration einfällt.
    Wie ist euer Vorgehen? Wie erschafft ihr eure Welten und wie detailliert arbeitet ihr sie aus?
    “No tree can grow to Heaven unless it’s roots reach down to Hell.”
    - C.G. Jung
  • Aidan
    Moderator
    • 03.09.2023
    • 249

    #2
    Huhu, danke für diesen spannenden Post und den Einblick in deine Arbeitsweise! Da stecken einige sehr interessante Fragen hinter.

    Meine Welt Erestri, wo die meisten meiner Fantasygeschichten angesiedelt sind - zu unterschiedlichen Zeiten, unterschiedlichen Kontinenten etc., fing ganz harmlos an und war gar nicht so groß geplant...
    ... Es war einmal zu einer Zeit, da ich noch jung und ein wenig naiv gewesen bin, was meine - nennen wir es - Inspirations- und Kreativitätsfülle anging. Am Anfang stand die Idee, einmal eine D&D Rollenspielrunde zu starten, wobei ich zum Spielleiter ernannt wurde. Ich mochte keine vorgefertigte Welt nehmen, da fühle ich mich schnell unsicher, ob ich "alles richtig" mache, wenn meine lieben Spieler mal auf nicht vorhergesehene Ideen kommen, also schuf ich ein kleines Dorf am Rande der Ziviisation. Ich sag mal so: was als kleine Kampagne von a nach b anfing und gänzlich ohne Politik, Intrige und großem Krieg gedacht war, explodierte, die drei "nichts" wurden zum Kern der Rollenspielgeschichte und die Welt breitete sich vor meinem Geist aus und wurde immer größer. Ich habe also beim Weltenbau im Grunde mitten drin angefangen, mit einem vorgegebenen Rahmen durch das Dungeons & Dragons Regelwerk. Seitdem wachsen auf Erestri Planeten- und Projektideen, wobei ich mich für die aktuellen Projekte schon halbwegs von dem Regelwerk gelöst habe und Stück für Stück immer mehr löse, auch wenn ein paar Dinge im Hintergrund immer noch wirken.

    Ich habe mir damals - noch per Hand vorgezeichnet - eine Karte für die Rollenspielwelt gebastelt und mit Hilfe von Photoshop, was ich aber nach meiner Scheidung nicht mehr zur Verfügung hatte, digitalisiert. Karten sind mir wichtig. Für den Leilarim habe ich (noch) keine gezeichnet, weil die Geschichte auf eine Stadt konzentriert ist, aber ich merke, dass ich es nachholen sollte. Sie fehlt mir. Ich kann mir nicht vorstellen, wirklich schon alle Kontinente auf dem Planeten festzulegen, denn die plöppen mit der Geschichte, die dort spielt, auf, aber insgesamt nimmt der Planet immer weiter Gestalt an. Als Vorbild habe ich unsere wunderbare Erde, allerdings soll es eine zweite Sonne geben, mit viel Abstand und nicht überall auf dem Planeten sichtbar, die Einflüsse davon auf die Vegetation sollte ich sicher bald mal klären. Aber das lasse ich wachsen.

    Wenn ich nun meine Welt für die neue Geschichte entwickel, dann nutze ich vieles, was du bei deiner Pyramide ausgeführt hast: wie ist das grundsätziche Klima, wie sieht die Karte der beteiligten Länder aus, wo sind vielleicht sogar Schnittpunkte mit den anderen Projekten und Ideen, die ich so habe. Das Gestalten der Landkarte ist wie ein Schlüssel, ich lerne das Land kennen, als würde nicht ich die Elemete der Karte bestimmen, sondern mir das Land von sich erzählen.
    Dann geht es an die Details der Länder, oder das Land, Kultur, Religion, welche Völker leben dort, wie sind die Beziehungen zu den Nachbarländern, wie beeinflusst die Geographie und das Klima die Mentalität der Bewohner, etc. Allerdings bei weitem nicht so ausführlich, wie du, Rhagrim, es beschreibst. Das ist bei mir wie beim plotten, ich brauche die Lücken, damit sie sich durch die Geschichte füllen können, aber eine Grobstruktur brauche ich vorher im Kopf.

    Was ich bis jetzt noch gar nicht gemacht habe und machen werde: eigene Sprachen entwickeln mit allem, was dazu gehört. Es gibt mal einzelne Worte oder Begriffe, die ich einfließen lasse, oder wenn eine Figur jemanden aus einem anderen Sprachraum begegnet eine Bemerkung dazu, wie die Sprache in den Ohren der Figur klingt. Ich bin kein Literaturwissenschaftler, ich finde andere Sprachen faszinierend, aber dafür reicht es einfach nicht.

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