Das Plotembryo

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  • Araluen
    Moderator
    • 04.09.2023
    • 226

    Das Plotembryo

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Name: Plotembryo_DE.jpg
Ansichten: 119
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ID: 695



    Das Plot Embryo ist im Grunde eine Abwandlung der klassischen Heldenreise. Wenn wir also einen Helden haben, der Hindernisse überwinden muss, um sein Abenteuer zu bestehen, dann ist das Plot Embryo eine gute Möglichkeit, um eine Geschichte zu plotten, eigenet sich aber auch gut für Geschichten, die auf den ersten Blick nicht wie die Heldenabenteuer des Herkules aussehen. Im Gegensatz zu anderen Plotmethoden, ist das Plot Embryo eher Figuren fokussiert und weniger Plot fokussiert, zumindest für mein Befinden. Natürlich ergeben sich durch die Stationen, die der Held durchläuft auch die Plotpunkte. Aber es ist irgendwie eine andere Perspektive, mit der man an das Ganze heran geht.

    Das Plot Embryo ist ein Kreis, der vertikal und horizantal jeweils in Hälften unterteilt wird. Ich weiß, klingt komisch erstmal, aber das klärt sich alles.
    Nehmen wir uns als erstes die vertikalen Hälften zu, sprich wir haben den Kreis in zwei Hälften links und rechts unterteilt. Das ist die innere Ebene und steht für die innere Veränderung der Figur. Auf der rechten Seite haben wir die Stasis des Helden, quasi sein altes Mindset, mit dem er in die Geschichte startet. In diesem Bereich der Geschichte reagiert der Held nur auf die äußeren Umstände.
    In der linken Hälfte finden wir die Erleuchtung des Helden. Er hat sich weiterentwickelt und verändert. Von nun an agiert der Held aktiv.
    Man könnte auch sagen, in der rechten Hälfte ist die Figur noch unehrlich zu sich selbst und anderen, während sie in der linken Hälfte ehrlich ist und durch Veränderungen zu sich selbst findet.
    Die Horizontalen Hälften beschäftigen sich mit der äußeren Welt und ihren Veränderungen. Oben haben wir den vertrauten Alltag des Helden und unten die fremde, neue Welt, mit der er sich auseinandersetzen muss.​

    Nun machen wir noch einen äußeren Kreis um unsere zwei inneren Kreise und teilen diese in 8 Teile. Das werden die Stationen unseres Plotembryos.

    1) Du: Hier wird der Held und sein Alltag vorgestellt.
    2) Wunsch: Irgendwas im Leben des Helden ist nicht ganz stimmig oder wird durch etwas aus der Bahn geworfen, sodass der Held, den Wunsch nach etwas entwickelt.
    3) Reise: Der Held beginnt seine Reise in die neue Welt.
    4) Suche: Der Held muss Hindernisse überwinden und sich in der neuen Welt zurechtfinden, um der Erfüllung seines Wunsches näher zu kommen. Ein Weg der Prüfungen liegt vor ihm.
    5) Finde: Dieser Punkt kann auch "Triff deine Göttin" genannt werden. Es ist der Moment, in dem der Held scheinbar sein Ziel erreicht und alles bekommt, was er sich gewünscht hat.
    6) Zahle: In vielen anderen Plotmethoden auch als Dunkelste Stunde bekannt, zeigt uns diese Station, welch hohen Preis der Held für das Erfüllen seines Wunsches zahlen muss. Er steht am Abgrund und weiß nicht, wie er ihn überwindet.
    7) Rückkehr: Der Held obsiegt im zentralen Konflikt und kann in sein altes Leben zurückkehren.
    8) Veränderung: Der Held kehrt in sein vertrautes Umfeld zurück und stellt fest, dass er sich verändert hat und er diesen Abschnitt seines Lebens hinter sich lassen kann, um Dinge zu verändern und seine Konflikte vom Beginn der Geschichte zu meistern.

    Das ist die Beschreibung der Stationen in Kürze. Gleich werden noch Beispiele folgen, um dies greifbarer zu machen. Doch erst einmal wollen wir uns die Anordnung der Kreise und Stationen genauer ansehen.
    Vier Stationen sind besonders auffällig: 1, 3, 5 und 7. Diese vier Stationen liegen auf den Grenzlinien der Kreishälften.
    1 - Du: Hier wird der Übergang zwischen Stasis und Erleuchtung durchlaufen. Allerdings wird dies nie voll ausgeleuchtet. Die Geschichte beginnt in der Stasis und endet mit Station 8. Das Du im Stadium der Erleuchtung wird nicht beschrieben. Es sei denn wir planen einen zweiten Band und fertigen für jeden Band ein Plotembryo.
    3 - Reise: Hier wird der Übergang zwischen der alten und der neuen Welt durchlaufen. Ich finde das auch recht einleuchtend. Denn hier beginnt der Held seine Reise raus aus dem Alltag hinein in das wie auch immer geartete Abenteuer.
    5 - Finde: Hier wird erneut und diesmal auch wirklich vollumfänglich der Übergang zwischen Stasis und Erleuchtung durchlaufen. Welchen Wunsch er auch immer eingangs hegte. Hier bekommt er ihn erfüllt, trifft seine Göttin, ein Moment der Stille, Verletzlichkeit und Offenbarung. Wo auch immer er vorher stand, an diesem Punkt verändert sich der Held und trifft eine Entscheidung, die seinen Weg verändert.
    7 - Rückkehr: Hier wird erneut der Übegang zwischen der alten und der neuen Welt durchlaufen. Der Held beendet sein Abenteuer, löst den zentralen Konflikt und kehrt nach hause in seine alte, vertraute Welt zurück.

    Was an dieser Stelle auffallen kann: Die gegenüber liegenden Stationen stehen im Gegensatz zueinander. Am einfachsten ist das bei den Stationen 3 Reise und 7 Rückkehr zu sehen. Bei der Station "Reise" beginnt der Held sein Abenteuer und betritt die neue Welt. Bei Station "Rückkehr" beendet er sein Abenteuer und kehrt zurück in die vertraute Umgebung. Ebenso gegensätzlich sollten auch die anderen gegenüber liegenden Stationen angelegt werden, da so das größte Spannungsfeld erzeugt wird.
    So haben wir bei Station 1 Du einen Helden, der in seinem Alltag steckt und sich wohlfühlt gerade weil er noch nicht erkannt hat, dass sich etwas ändern muss. Bei Station 5 "Finde" haben wir einen Helden, der sich überhaupt nicht mehr wohlfühlt, weil alles, was er bisher für ein festes Regelwerkt gehalten hatte, von ihm selbst in Frage gestellt wird.
    Bei Station 2 Wunsch sucht der Held nach der Erfüllung eines Wunsches, von dem er glaubt, dass dieser alle seine Probleme lösen wird. Bei Station 6 hat er sein Ziel erreicht und muss nun einen großen Preis dafür zahlen - weiter weg von der Lösung seiner Probleme könnte er gar nicht sein.
    Dann haben wir noch Station 4 "Reise", wo der Held zum Spielball der neuen Welt wird und sich erst in ihr zurechtfinden muss. Bei Station 8 "Veränderung" befindet sich der Held wieder in seiner vertrauten Umgebung und kann sie durch die Veränderungen, die er im Lauf der Geschichte durchgemacht hat nach seinem Willen beeinflussen.

    Schauen wir uns mal ein Beispiel an, um den Knoten zu entwirren. Da Filme meist einfacher zu beschreiben sind und die Schnittmenge derer, die es kennen, größer ist, nehmen wir uns "Der König der Löwen" vor.

    Stasis: Simba ist als Kronprinz ziemlich verwöhnt und handelt daher oft egoistisch und verantwortungslos. Zudem nimmt er seine Bestimmung nicht ernst und sieht darin nur ein großes Spiel.
    Erleuchtung: Simba übernimmt Verantwortung, stellt sich seinen Fehlern und wird ein würdiger König des geweihten Landes

    alte Welt: Simba lebt ein sorgloses Leben in der Savanne des geweihten Landes behütet von seinem Rudel
    neue Welt: Simba muss allein in der Wildnis zurecht kommen, wo er selbst für sein Essen sorgen und sich vor Gefahren schützen muss

    1 - Du: Simba ist der Sohn des Löwenkönigs Mufasa und seiner Königin Sarabi und lebt ein sorgloses Leben in dem Wissen, dass er bald der König des geweihten Landes sein wird.
    2 - Wunsch: Simba wird Zeuge von Mufasas Tod und lässt sich von seinem Onkel Skar einreden, selbs schuld an dem Unglück zu sein. Deshalb ist es sein größter Wunsch der drohenden Strafe und der Enttäuschung seiner Mutter zu entkommen.
    3 - Reise: Simba flieht in die Wildnis und lässt sein Rudel hinter sich.
    4 - Suche: Simba verdurstet beinahe in der Wüste, als ihn Timon und Pumba finden. Die beiden nehmen den jungen Löwen bei sich auf. Doch er muss sich an ihre Regeln gewöhnen, wenn er bei ihnen bleiben und überleben will.
    5 - Finde: Simba hat sein altes Leben endgültig hinter sich gelassen. Weder Timon noch Pumba ahnen von seiner Schuld am Tod seines Vaters und er kann glücklich und sorgenfrei leben. Als er seine Jugendliebe Nala wiedertrifft, scheint das Glück perfekt.
    6 - Zahle: Simba erfährt von Nala wie schlecht es um das geweihte Land steht, seit Skar an seiner Stelle regiert. Es hat sich in eine karge Einöde voller Hyänen verwandelt, in der es kaum genug Beute für alle gibt.
    7 - Rückkehr: Simba beschließt sich seiner Verantwortung zu stellen und kehrt zum Königsfelsen zurück, um Skar herauszufordern. Er erfährt, dass Skar für Mufasas Tod verantwortlich ist und besiegt ihn im Kampf.
    8 - Veränderung: Von seiner Schuld befreit, besteigt Simba als neuer König den Königsfelsen. Er weiß, welche Verantwortung er für das geweihte Land trägt und dass es in seinen Pranken liegt, ob es wieder gesund wird.​
  • Araluen
    Moderator
    • 04.09.2023
    • 226

    #2
    Platzhalter für das tragische Plotembryo.

    Kommentar

    • Yamuri
      Kaffeejunkie
      • 04.09.2023
      • 337

      #3
      Vielen Dank für die tolle Übersicht und sogar mit Bildern.

      Dank dir bildet sich jetzt hier eine kleine Bibliothek an Schreibhandwerksratgebern. Das bringt mich auf die Idee, ich könnte theoretisch meine Notizen als Postings hier aufbereiten? Also zu den Ratgebern, die ich so gelesen habe.

      Auf den tragischen Plotembryo bin ich schon gespannt.

      Kommentar

      • Federstreich
        Redakteur
        • 15.09.2023
        • 89

        #4
        Ich finde das Plotembryo total süß. Jetzt werde ich beim Plotten immer daran denken. 💓

        Kommentar

        • Yamuri
          Kaffeejunkie
          • 04.09.2023
          • 337

          #5
          In den letzten Tagen ist mir eine Erkenntnis gekommen. ^^ Lange Zeit habe ich damit gestruggelt, wie ich das Plotembryo anwenden soll, wenn meine Figuren aber in einer Situation starten, die nicht als "normaler Alltag" eingestuft werden würde. Und heute kam mir ein Gedanke.

          Wenn ich den Begriff Alltag mal nicht mit den üblichen Attributen versehe, könnte Alltag auch einfach nur ganz neutral Status Quo oder gegenwärtiges Leben bedeuten? Also kann Alltag auch bedeuten: eine Figur ist ein Gefangener, der in einer passiven Situation festsitzt, die für ihn bereits zur Routine geworden ist, also eine Situation mit der man sich eben abgefunden hat.

          Vorstellen des Alltags würde dann gar nicht bedeuten, man muss sich hier ein Leben vorstellen, das mit unsrem Alltag zu vergleichen ist. Es kann auch eine bedrückende Situation sein, wie eine Gefangenschaft, oder eine Reise, auf der man sich schon sehr lange befindet und die irgendwie kein Ende finden will.

          Im Falle des Gefangenen könnte etwas geschehen, das ihm die Möglichkeit zur Flucht gibt oder ihn hinauswirft in die Welt, z.B. weil jemand eine Flucht initiiert, die Menschen sterben, die einen gefangen gehalten haben oder ein anderes Opening sozusagen auftritt, etwas, das dazu führt, dass die Figur mit Freiheit konfrontiert wird und damit mit Möglichkeiten. Die Figur beginnt also ihre Reise in die neue 'freie' Welt, wird dort mit Herausforderungen konfrontiert, Rückschlägen und vielleicht auch der Möglichkeit wieder ein Gefangener zu werden.

          Anstelle von Rückkehr könnte hier auch eine vollständige Entfesselung stehen, wenn die Figur sich für die Freiheit und eben nicht die Rückkehr in die Gefangenschaft entscheidet. Damit wird die neue Welt zum neuen Alltag, aber mit einer Veränderung - die Figur kann sich nun in dieser neuen Welt zurechtfinden.

          In dieser Welt kann es immer noch Gefangenschaft geben, nur ist die Figur nicht mehr gefangen und kann aktiv anderen helfen, auch keine Gefangene mehr zu sein. ^^ Hab' das mal versucht ein wenig auf Yinghao zu übertragen xd
          Zuletzt geändert von Yamuri; 17.10.2023, 13:31.

          Kommentar

          • Araluen
            Moderator
            • 04.09.2023
            • 226

            #6
            Ja genau, mit Alltag ist der Status Quo gemeint, in dem die Figur gerade lebt. Es muss nicht der Alltag mit Häuschen, Garten und 9-to-5 Job sein. Es kann auch die Tristesse einer Kerkerzelle sein oder das abenteuerliche Leben eines Schmugglers.

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