Werd‘ endlich erwachsen! – Charaktere in der Story weiterentwickeln – Aber wie?

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  • Niam
    Redakteur
    • 05.09.2023
    • 96

    Werd‘ endlich erwachsen! – Charaktere in der Story weiterentwickeln – Aber wie?

    Jede Erfahrung, jede Begegnung und jedes Erlebnis lässt uns dazulernen und hilft uns zu wachsen und manchmal über uns hinauszuwachsen. Kaum ein Mensch bleibt auf einer Stufe „stecken“ und ist so „entwicklungsresistent“, dass er nicht aus seinen Erfolgserlebnissen und Fehlern lernt.

    Auch die Figuren in den unterschiedlichen Genres entwickeln sich im Geschichtsverlauf üblicherweise sichtbar weiter. Ob durch Erfahrungen oder die Anforderungen der neuen Umgebung, aufgrund der Ansprüche der Gesellschaft aber vielleicht auch durch die Erwartungen, die z.B. das steigende Alter auslöst. Hier sind viele Variationen vom „Verlierer“ zum „Helden“ oder/und umgekehrt - vom Schwächling zum dominanten Chef, vom grauen Mäuschen zur strahlenden Schönheit, der reichen Zicke zur gebrochenen Ikone bis sie geläutert "IHREN Weg zurück" findet - oder irgendetwas daneben, dazwischen oder vielleicht auch etwas völlig Anderes möglich.
    Ob Protagonist, Antagonist oder tragende Nebenfigur – ohne erkennbare Weiterentwicklung, ohne sichtbare Veränderung im Gehabe, eventuell auch der Ansichten, vielleicht sogar auch im Kleidungs- oder Arbeitsstil wirkt eine Figur auf den Leser leblos und uninteressant, etwas, das die ganze Story negativ beeinflusst. Natürlich ist es ein - vielleicht etwas ungleiches - Wechselspiel, denn ohne gute Charaktere wird es wohl keine mitreißende Story werden können, wobei es durchaus möglich ist, den Leser auch bei einer eher schwach konstruierten und vielleicht chaotischen Storyline mit großartigen und spannenden Charakteren „bei der Stange“ zu halten.

    Wie kritisch oder wie entspannt seht ihr das als Autoren und Leser?
    - Loser, Hero, Mauerblümchen, Tollpatsch oder verkanntes Genie? - Wie stark müssen bzw. wie schwach dürfen Figuren vor allem auch zu Beginn der Erzählung sein und wie deutlich muss/kann/soll ihre Entwicklung die Geschichte hindurch fortschreiten bzw. erkennbar sein.
    - Wie ist es mit mehrbändigen Storys? Gibt es hier bei der Charakterentwicklung der Figuren ein „das bleibt jetzt grundsätzlich so bis zum letzten Band“?
    - Worauf sollte man im Allgemeinen bei der Figurenentwicklung besonders achten, wenn man eine interessante Geschichte schreiben möchte?
    - Wieviel von euch bzw. euren Erfahrungen steckt eigentlich in euren Charakteren, bzw. kann man eigentlich auch glaubwürdige Charaktere schreiben, ohne etwas von sich selbst mitzugeben?

    Allzu perfekt ist im Regelfall ja ziemlich langweilig und jede wirklich spannende Person besteht in ihrer Gesamtheit aus „guten“, „bösen“ und vielen, unterschiedlich hell- bis dunkelgrau gefärbten Charakterabstufungen.
    - Wieviel Grau sollte also in den edlen und „Guten“ Charakteren eingebaut sein damit sie nicht langweilig wirken und wie „edel“ darf der Fiesling sein, damit er bis zum Ende trotzdem der
    Bösewicht bleibt.
    - Gibt es Charaktere, die für die Geschichte wichtig sind, die man als Autor aber gar nicht mag? Und Wie geht ihr mit von euch „ungeliebten“ Figuren um?
    * Wenn z. B. eine Figur Charaktereigenschaften zeigt (bzw. zeigen muss) die sich so ganz und gar von eurer eigenen Meinung/Überzeugung/Lebensansicht unterscheidet oder ihr sogar völlig
    zuwider läuft, die besagte Figur aber für das Funktionieren eurer Storyline zwingend notwendig ist?
    * Wie gelingt es – oder was ist dafür notwendig – dass man als Autor gerade diesen Charakter glaub- und denkwürdig sowie lebendig „rüberbringen“ kann. - Schafft man es, das „hässliche
    Entlein“ lieben zu lernen?
    - Was ist für euch oder was bezeichnet ihr als eine Charakter-Fehlentwicklung?

    Wer sagt, wo es lang geht?
    Es wird ja immer wieder davon geredet, dass sich die Charaktere manchmal (ungeplant) „selbstständig machen“ und sogar den ursprünglichen Plan des Autors „sabotieren“ oder auch völlig ändern.
    - Ist euch das auch schon einmal passiert?
    - Wenn ja, welche Auswirkungen hat das auf euch und euer Werk gehabt?
    - Manchmal hör man ja auch, dass einem Autor die Figuren „davongelaufen“ sind.
    * Welche Auswirkungen hat das auf die Geschichte und – blöde Frage – gelingt es eigentlich die Figuren dann wieder „einzufangen“?
    * Worauf sollte man als Schreiberling achten, damit so etwas nicht vorkommt und wenn's dann doch irgenwie passiert ist – was dann? (Alles weg und ganz neu anfangen? Auf dem neuen Pfad weitermachen und den ganzen vorigen Plan umwerfen? Oder irgendeinen Kompromiss finden?)

    Und zu guter Letzt:
    - Welche Eigenschaften sollten für euch als Autoren und Leser gelungene Charaktere mitbringen bzw. was darf keinesfalls fehlen, um unterschiedliche Figuren glaubwürdig und mitreißend „rüberzubringen“?
    - Und (ok, jetzt bin ich echt neugierig - ich geb's zu) wie konsequent bestimmt ihr als Autoren die Richtung eurer Geschichte und wie sehr, dürfen eure Charaktere dabei mitmischen und ihren eigenen Kopf durchsetzen?



    Ich denke es immer wieder eine große Herausforderung gelungene und erinnerungswürdige Figuren zu schaffen, mit denen sich die Leser identifizieren und/oder so richtig mitleben können. - Ganz egal, ob es sich um sympathische Helden, unausstehliche Fieslinge, arrogante Besserwisser, liebeswerte Grünschnäbel - oder was auch immer der Charakterenpool so zu bieten hat - handelt.

    Gerade darum bin ich sehr gespannt, wie ihr als Autoren dieser Herausforderung der Figurentwicklung umgeht.
  • Katharina Valentina
    Kaffeetrinker
    • 17.09.2024
    • 31

    #2
    Ich bin ja noch ein Autoren - Baby, deshalb habe ich da schon meine Meinung, aber die Umsetzung ist ja eher die Aufgabe bzw. wird sich da meine Meinung durch die Jahre bestimmt noch ändern

    - Figuren können sehr stark oder sehr schwach sein, je nachdem, was sie für eine Rolle erfüllen. Es gibt verschiedene Parameter: Likeability, Kompetenz und Proaktivität. Auf der Skala sollten Charaktere ausgeglichen sein und sich im Laufe der Zeit entwickeln. (Zb. Wenn sie sehr proaktiv sind, können sie weniger likeable oder kompetent sein, aber in Kompetenz wachsen etc.) Hauptpersonen sollten sich stark entwickeln, wichtige Nebenfiguren sollten auch ihre 3-5 Plot Points pro Buch haben (oder mehr), Nebencharaktere vlt auch 1,2. Aber sie sollten immer in Verbindung zu den Protas stehen.
    - es gibt bestimmt Figuren, die sich nicht ändern. Es gibt ja auch viele Menschen, die sich nicht ändern und das ist dann realistisch - aber genau dieses "nicht ändern" macht dann was mit den Protas.
    - das unterliegende Theme setzt sich aus Charakter + Plot zusammen. Das heißt Charakter tut etwas wegen innerem Konflikt, was den äußeren Plot anstößt und alles darum herum fügt sich zu dem Gefühl des Buches, der Aussage etc. zusammen. Wenn man interessante und spannende, vor allem menschliche (hier ist die Liste zu lang) Repräsentanten des unterliegenden Themes/des philosophischen Konflikts aufeinandertreffen lässt, kann es eine spannende Story geben.
    - es gibt versch. Ansichten, ob man viel erleben muss, um gut zu schreiben, oder gar nichts erleben muss, sondern einfach gut verstehen/sich hineindenken muss. Meine Charaktere sind von meinen Erfahrungen geprägt, aber ich ändere sie alle so ab, dass es nicht mehr klar zuzuordnen ist. Aber auch die Welt, die Assoziationen, etc. kommen ja daher, wie ich die Welt sehe.


    - gute Charaktere wirken nur langweilig, wenn sie sich nicht für etwas entscheiden müssen. Ich verstehe nicht, wieso heutzutage immer etwas grau dabei sein muss. Es ist viel schwerer, gute Entscheidungen zu treffen, als sich zu schlechten Entscheidungen hinreißen zu lassen. Deshalb brauchen gute Charaktere nichts "graues", sondern einfach Fehler, die vlt. von ihrer guten Seite kommen. (Zb. sich für andere aufopfern führt dazu, dass man anderen die Schuld gibt, wenn man sich zu viel geopfert hat) Und "böse" Charaktere sind nicht per se böse, sondern haben schlechte Entscheidungen getroffen, wieder und wieder, und belügen sich selbst, dass sie das Richtige tun. In ihren Augen sind sie ja edel. Da können sie schon ab und zu auch etwas "Gutes" tun, die Summe ihrer Taten macht sie dann zu "Bösewichten"
    - Es geht nicht um mich als Autorin, sondern um die Geschichte. Es ist meine Aufgabe, Dinge zu schreiben, die mir nicht gefallen. Ich hab da wenig Probleme mit.
    - eine Charakterfehlentwicklung ist vlt. wenn der Charakter nicht so herüberkommt, wie man es gemeint hat (ist mir passiert )


    - ich glaube, dass die Figuren nicht davonlaufen können. Entweder man kannte die Figur noch nicht genau genug und hat dann einen Plot dazu gebastelt, der keinen Sinn ergibt, also nicht inneres mit äußerem verbunden, oder man ändert generell seine Meinung darüber, was man schreiben will. Die Figuren kommen aus unserer Fantasie, also haben sie kein Eigenleben, sondern richten sich danach, dass wir entweder einen Plan haben oder nicht oder sich der Plan ändert und das ist total ok
    - Wenn so etwas passiert, sollte man seine Prämisse, das Thema, die Character Arcs und die Backstory nochmal überdenken und schauen, dass die Geschichte in ihrem Kern funktioniert.


    - die Figuren müssen vor allem sie selbst sein. Sie müssen nicht äußerliche Besonderheiten haben, sondern die äußerlichen Besonderheiten müssen ihre Geschichte beschreiben. Sie müssen Produkt ihrer eigenen Geschichte sein und dadurch in der Story wirken. Und alles muss miteinander zusammenhängen - Nebencharaktere und ihre Reisen müssen die Reisen der Hauptfiguren spiegeln, nur auf eine andere Weise. Sie sollten Ecken und Kanten haben, sich entwickeln oder ihr Charakter muss mal um mal getestet werden.
    - wie gesagt, glaube ich nicht, dass Figuren ihren eigenen Kopf haben. Sie sind Produkt von meinen Überlegungen, also ist alles, was die Charaktere wollen auch das, was mir dazu einfällt. Wenn sie vom "geplanten" Weg abkommen wollen, dann liegt es daran, dass die Geschichte so mehr Sinn ergibt, als ich es im Vorfeld geplant hatte und es fällt mir nur später auf. Und immer, wenn eine Geschichte anders mehr Sinn ergibt/besser/cooler/spannender wird, dann ist es das wert, der Eingebung zu folgen.

    Kommentar

    • Yamuri
      Kaffeejunkie
      • 04.09.2023
      • 415

      #3
      Liebe Niam,

      Ich liebe deine Impulse hier. Du gibst dir immer so viel Mühe für diese Postings und gestaltest sie so liebevoll. Finde ich total schön.

      Wie kritisch oder wie entspannt seht ihr das als Autoren und Leser?

      Ich bin da tatsächlich entspannt und versuche eher typische Klischés und Rollenbilder zu vermeiden. Auch ein Genie darf Fehler machen, die andere vielleicht als dümmlich bezeichnen würden. Auch ein tolpatschiger Mensch kann auf geniale Gedanken kommen und bei einer Sache alles perfekt machen.
      Tatsächlich achte ich nicht zwingend auf eine Charakterentwicklung. Es gibt auch im RL Menschen, die sich eben nicht verändern, die sich treu bleiben bis zum bitteren Ende auch wenn sie damit komplett gegen die Wand fahren.
      In ostasiatischen Geschichten geht es oft darum, dass eine Figur lernt sich mit der sich verändernden Welt zurechzukommen, neue Wege zu finden. Dabei können diese Figuren am Anfang und Ende der Geschichte charakterlich dieselbe bleiben.
      Wichtiger als Charakterentwicklung halte ich, dass die Handlungen der Figur für mich auf psychologischer Ebene nachvollziehbar sind.
      Ich weiß nicht, wie viel von meinen Erfahrungen in meinen Figuren steckt. Das kommt aufs Projekt an. Manche Projekte sind persönlicher, andere weniger. Wobei ich damit meine, dass manche Projekte auf Dingen aus meinem Leben beruhen und andere (die bezeichne ich dann als weniger persönlich) mich einfach nur auf persönlicher Ebene nicht loslassen und ich darum darüber schreibe.

      Allzu perfekt ist im Regelfall ja ziemlich langweilig und jede wirklich spannende Person besteht in ihrer Gesamtheit aus „guten“, „bösen“ und vielen, unterschiedlich hell- bis dunkelgrau gefärbten Charakterabstufungen.

      Ich liebe Anti-Helden und meist wirken die Antagonisten sympathischer auf mich. Daher drehe ich da gerne die Seiten. Deshalb sind meine Helden grau oder sogar kriminell, weil mir in der Regel die rein guten Figuren einfach alle zu langweilig sind. Damit meine ich diese glatten Figuren, die einfach nur nett und gut sind, und dann meist nur deshalb siegen, weil sie Glück hatten.
      Ich mag intelligente Figuren, am besten solche, die auf kreative Ideen kommen. Natürlich dürfen sie Fehler machen. Aber diese Fehler sollten sie nicht total inkompetent wirken lassen. Tatsächlich hat jede meiner Figuren etwas an sich, das ich auf emotionaler Ebene nachvollziehen kann. Ich mag alle meine Figuren, auch die bösen Figuren, auch die, die ihre dunkle Seite ausleben. Bisher ist es mir noch nicht passiert, dass ich eine Figur nicht mochte.
      Stephen King schrieb mal - man solle all seine Figuren lieben und ja, das trifft bei mir einfach auch zu.
      Selbst die, die meine Meinung nicht teilen. Zum Beispiel habe ich Figuren, die sich der Rache verschreiben. Ich weiß, dass dieser Weg falsch ist, aber ich kannn ihn nachvollziehen, weil ich auch mal an diesem Punkt war. Ich hatte eine Phase, in der ich die Welt brennen sehen wollte. Auf die Erinnerungen an die damit verknüpften Gefühle greife ich dann zurück, wenn es um solche Figuren geht, die sagen: Der Zweck heiligt unsere Mittel.
      Ich glaube, eine Fehlentwicklung gibt es nicht. Es gibt nur Figuren, die falsche Wege einschlagen im Sinne von z.B. Idealen, denen sie nachrennen und dabei ihre Menschlichkeit opfern. Oder die resignieren und sich einfach ihrer Dunkelheit hingeben.

      Wer sagt, wo es lang geht?

      Meine Figuren erzählen mir Ihre Geschichte. Ich höre zu. Manchmal verstricken sie sich in Widersprüche. Oder manchmal verstehe ich nicht, was sie mir sagen wollen und stelle es dann falsch dar. Dann muss ich nachträglich nochmal ran, mit ihnen sprechen, herausfinden wie eine Szene wirklich aussah. Ich habe eine enge Beziehung zu meinen Figuren. Sie sind wie eigenständige Persönlichkeiten für mich, wie Menschen aus anderen Realitäten. Insofern ist wahrscheinlich auch der Ausdruck sich selbstständig machen nicht ganz korrekt. Es ist eher so, dass ich manchmal nicht gleich verstehe, was sie mir erzählen möchten und dann die falschen Formulieren dafür nutze.
      Ich bin nicht der Schöpfer meiner Welten. Ich bin der Bote, der die Geschichten meiner Figuren in die Welt hinausträgt. Ich gebe ihnen eine Stimme. Und es ist meine Aufgabe möglichst authentisch ihre Geschichten wiederzugeben. Gelingt mir mal mehr, mal weniger.
      Tatsächlich konnte ein Missverständnis meinerseits auch schon dazu führen, dass ich komplette Manuskripte von der Pieke an neu geschrieben habe. Manches wusste ich nicht sofort. Manche Figuren haben sich auch aus anderen herausentwickelt. Ähnlich wie eine Raupe, die zum Schmetterling wird und deren Leben sich dann ganz anders darstellt, als ich zu Beginn noch dachte.
      Ich finde da keinen Kompromiss. Ich ändere einfach meine Richtung und folge meinen Figuren. Überarbeite, bis es passt. Ich lasse mich führen von meinen Figuren.

      Welche Eigenschaften sollten für euch als Autoren und Leser gelungene Charaktere mitbringen bzw. was darf keinesfalls fehlen, um unterschiedliche Figuren glaubwürdig und mitreißend „rüberzubringen“?

      Das ist schwierig zu sagen. Da gibt es kein richtig und falsch, kein Patentrezept. Ich habe noch keinen gemeinsamen Nenner gefunden. Manchmal mag ich beim Lesen die Figuren, manchmal nicht. Woran das liegt, weiß ich nicht. Es ist sehr individuell. So wie es im realen Leben auch individuell ist. Manche Menschen mag man einfach, adndere nicht. Manche mag man, obwohl sie einem nicht gut tun. Manche mag man nicht, obwohl sie einem guttun. Bei wieder anderen mag man sie und sie tun einem auch gut. Usw. Ich kann daher aus Lesersicht nicht sagen, was ein gelungener Charakter mitbringen muss. Das entscheidet sich situativ und Sympathie/Antipathie entsteht bei mir willkürlich. Ich kann manchmal an einer Figure das loben, was ich an einer andren dann kritisiere.

      - Und (ok, jetzt bin ich echt neugierig - ich geb's zu) wie konsequent bestimmt ihr als Autoren die Richtung eurer Geschichte und wie sehr, dürfen eure Charaktere dabei mitmischen und ihren eigenen Kopf durchsetzen?

      Wie oben erwähnt. Ich lasse mich von meinen Figuren führen und versuche dabei authentisch ihre Geschichten niederzuschreiben. Ich bin der Chronist meiner Figuren.^^

      Kommentar


      • Katharina Valentina
        Katharina Valentina kommentierte
        Kommentar bearbeiten
        da hab ich gleich eine Frage: wie machst du das, dass die Figuren kreative oder schlaue Lösungen zu Problemen finden? Das fand ich schon so spannend an der Name des Windes von Patrick Rothfuss - da hat sich Kvothe als Charakter ja kaum entwickelt, sondern ist durch seine ureigenen Eigenschaften zur Legende geworden. Auch wenn das bei vielen Leuten auf Kritik gestoßen ist, fand ich das gar nicht schlimm.

      • Araluen
        Araluen kommentierte
        Kommentar bearbeiten
        Der Name des Windes ist an der Stelle eh faszinierend. Ich hab zugegeben bisland nur den ersten Band gelesen (den zweiten hätte ich auf Englisch lesen wollen, steht auch schon im Regal, aber dazu wollte ich erstmal den ersten Band auch auf englisch lesen). Wir haben einen Hauptcharakter, der sich nicht stark entwickelt, eine Handlung, in der eigentlich nicht viel passiert oder sagen wir nicht viel, was über normalen Alltag hinaus geht. Es sind alles kleine Probleme. Und doch lässt es einen nicht los und ist auf seine ganz eigene Art spannend.
    • Niam
      Redakteur
      • 05.09.2023
      • 96

      #4
      Vielen Dank, für eure Erfahrungen und Ansichten, meine Lieben! ​​Es ist für mich und ich denke auch für viele andere Schreiberilinge immer wieder sehr interessant, unterschiedliche Ansätze, Ansichten und Erfahrungen, die direkt aus der Schreibpraxis kommen, kennenzulernen.

      Katherina Valentina hat gemeint: "Ich verstehe nicht, wieso heutzutage immer etwas grau dabei sein muss. Es ist viel schwerer, gute Entscheidungen zu treffen, als sich zu schlechten Entscheidungen hinreißen zu lassen. Deshalb brauchen gute Charaktere nichts "graues", sondern einfach Fehler, die vlt. von ihrer guten Seite kommen."

      Dem möchte ich nicht ganz zustimmen, denn auch im richtigen Leben ist niemand "nur gut" und die "Fehler" die ihm unterlaufen, passieren ausschließlich aus der originalen guten Absicht heraus. Natürlich passiert das auch, keine Frage. Aber - So mancher Mensch, der als durch und durch "böse" gilt, hat möglicherweise einen "Softspot" z.B. (einen) Menschen/Tiere, die er rücksichts- wenn nicht sogar liebvoller behandelt als "den Rest" um ihn herum. Es passiert aber auch immer wieder, dass ein "wirklich guter Mensch bzw. nahezu ein Heiliger" garstig oder sogar grausam zu (vielleicht nur einer oder mehreren) bestimmten Personen(gruppen) ist. (In einer Geschichte sollten aber die Gründe dafür unbedingt im Lauf der Story rauskommen und auch nachvollziehbar sein.)

      Es gibt wohl kaum Menschen im richtigen Leben, die keine solchen "Grauzonen" haben.
      Wem ist es Z. B. noch nie passiert, dass man Personen trifft, mit denen man sich sofort gut versteht, obwohl man sie noch nie gesehen hat, oder auch das Gegenteil: Dass man Menschen trifft, denen man schon eine reinhauen könnte, noch bevor sie "Guten Tag gesagt" haben und bei denen du dich allein schon bei der Frage, "Wie geht es Ihnen" zurückhalten musst, dass du ihnen nicht ins Gesicht springst und sie verkloppst, weil du die Person - obwohl du sie nicht kennst - absolut nicht ausstehen kannst. Weder die Art wie sie geht, wie sie redet, wie sie aussieht, wie sie riecht einfach hasst, obwohl du nicht weißt, warum - und dich und deine Reaktion selber überhaupt nicht verstehst.
      Vielleicht erinnern sie dich ja durch ihre Art oder ihr Aussehen an einen verhassten Kindergarten/Schulkollegen, an eine Person aus einem sehr realistischen Traum, an.... egal was...
      intensive Gefühle, unerwartete Reaktionen, instinktive Zustimmung oder Abwehr - Menschen reagieren nicht immer so, wie erwartet, man selber reagiert nicht immer so, wie man sich selbst eingeschätzt hätte. Freunde, Arbeitskollegen, Fremde sehen dich oft ganz anders, als du dich selber sieht.
      (Und jede Person hat ihre eigenen Geheimnisse, Traumata, Glücksmomente, so wie jede Person "glücklich sein" nach ihrer Sicht bewertet, die nichts mit meiner eigenen Sicht zu tun haben muss.)

      Das meinte ich mit "Grau" - das tief innen Verborgene, das man normalerweise nicht zeigt, vielleicht gar nicht kennt oder jemals richtig zu Gesicht bekommt, das aber bei bestimmten Situationen, mit dem "richtigen" Trigger "herausgekitzelt" werden kann und dann alle um sich herum (meist auch den Betroffenen) ziemlich sprachlos zurücklässt. Diese AHA- Erlebnisse, die einen verborgenen Teil der Seele der Figur zeigen, mit dem die Leser nicht gerechnet hätten, die dann aber im Lauf der Geschichte, oder durch ganz zarte, vorhergehende Hinweise völlig klar werden bzw. logisch erscheinen und die vielleicht sogar ein Gefühl des Bekannten, des Hineinversetzens, oder eines "Klingelns im Hinterkopf" im Leser auslösen können...

      Kommentar


      • Katharina Valentina
        Katharina Valentina kommentierte
        Kommentar bearbeiten
        Danke für deine tollen Fragen!

        Da hab ich mich wohl nicht genau genug ausgedrückt - "gut und böse" sind ja auch Definitionssache.
        Was du als grau beschreibst, gehört für mich zu einer guten Figur einfach mit dazu. Sonst ist sie flach. Jeder Bösewicht sollte einen Softspot haben, sonst ist er uns viel zu fern und unmenschlich. Natürlich empfinden manche Figuren ggüber den "Guten" einen Hass und andersrum, weil jeder einen individuellen Blick auf alles hat. Was ich meinte, ist das immer prominenter werdende "moralische Grau" - nämlich, dass jeder irgendwie auf seine Art und Weise böse oder zumindest "grau", also nicht "gut" ist. Das sehe ich in vielen Serien, in der jeder den anderen hintergeht, seine eigene Agenda hat o.ä. und man deshalb nie genau weiß, was passiert.
        Aber gerade Figuren, die durch Schlimmes hindurchgehen, daran wachsen und sich mal um mal dafür entscheiden, trotzdem moralisch gut zu handeln (auch wenn sie durch ihre eigenen Abgründe durch müssen, niemand ist immer perfekt, das ist schlicht unmöglich und auch keine spannende Geschichte), finde ich spannend. Auch, dass man in zwischenmenschlichen Beziehung Stärke in schlechten Zeiten finden kann und sie übersteht.
        Denn oftmals sind wir alleine zu schwach, aber gemeinsam ist es doch leichter, den schweren Weg (und das ist meistens der, der "gut" ist, weil moralisch graue oder schlechte Wege die schnellen Abkürzungen sind, während die "guten" Wege lange dauern, viele Opfer und Geduld erfordern) zu gehen.

        Daher stimme ich dir voll und ganz zu, aber ich habe oben etwas anderes gemeint
    • Rhagrim
      Moderator
      • 03.09.2023
      • 482
      • Staring down the Abyss

      #5
      Vielen Dank für deine spannenden Fragen Niam
      Ich trage dann auch mal meine 2 Cent dazu bei.

      Zitat von Niam
      Wie kritisch oder wie entspannt seht ihr das als Autoren und Leser?
      - Loser, Hero, Mauerblümchen, Tollpatsch oder verkanntes Genie? - Wie stark müssen bzw. wie schwach dürfen Figuren vor allem auch zu Beginn der Erzählung sein und wie deutlich muss/kann/soll ihre Entwicklung die Geschichte hindurch fortschreiten bzw. erkennbar sein.
      - Wie ist es mit mehrbändigen Storys? Gibt es hier bei der Charakterentwicklung der Figuren ein „das bleibt jetzt grundsätzlich so bis zum letzten Band“?
      - Worauf sollte man im Allgemeinen bei der Figurenentwicklung besonders achten, wenn man eine interessante Geschichte schreiben möchte?
      - Wieviel von euch bzw. euren Erfahrungen steckt eigentlich in euren Charakteren, bzw. kann man eigentlich auch glaubwürdige Charaktere schreiben, ohne etwas von sich selbst mitzugeben?
      Ich gehöre hier eher zu der kritischen Sorte, da ich davon überzeugt bin, dass eine Geschichte mit ihren Prota-/Antagonisten steht und fällt, und dass wirklich gut ausgearbeitete Charaktere eine selbst mittelmäßige oder abgedroschene Geschichte gut machen können - während umgekehrt die beste Geschichte und das beste Worldbuilding nichts bringt, wenn einen einfach die Charaktere nicht mitnehmen, oder nicht interessieren.
      Dabei ist mir am wichtigsten, dass ein Charakter im Rahmen seiner eigenen Sinn macht und es für mich als Leser nachvollziehbar ist, warum er ist, wie er ist und warum er so handelt, wie er es tut. Ganz egal, ob er dabei "stark" oder "schwach", "gut" oder "böse" ist, oder welche Überzeugungen, Vorlieben oder Vorurteile und Abneigungen er hat.
      Das gilt für mich auch, was die Charakterentwicklung betrifft. Wir Menschen werden geprägt durch unser Umfeld und unsere Erfahrungen. Daraus ergeben sich unser Weltbild, unsere Überzeugungen, Erwartungen, wie wir auf diese Welt und ihre Bewohner reagieren, und wie wir z.B. mit (traumatischen) Erlebnissen umgehen.
      Das sollte für mich auch für einen gut geschriebenen Charakter gelten. Durch das, was ihm im Laufe der Geschichte widerfährt, macht er Erfahrungen und wird sich (hoffentlich) dementsprechend weiterentwickeln, einfach, weil er gezwungen ist, zu reagieren und - im Guten oder im Schlechten - aus seinen Erfahrungen zu lernen. Wenn er sich gar nicht verändert, ist das für mich auch okay - wenn er dafür einen Grund hat. (z.B. ein extrem starres Weltbild, das ihn dazu zwingt, alle Erfahrungen in ein ganz bestimmtes Licht zu rücken. Oder wenn er zB durch ein Trauma so in sich selbst gefangen ist, dass er nicht anders kann, als immer wieder auf dieselbe Art zu reagieren)

      Stärke und Schwäche werden dadurch für mich auch relativ, v.a. weil sich eine Stärke in bestimmten Situationen auch als Schwäche entpuppen kann - oder eine vermeintliche Schwäche als Stärke. Oft sind es nicht die starren Eigenschaften oder Charakterzüge, die einen Charakter pauschal stark oder schwach machen, sondern die Situation, in der diese Eigenschaften zum Vorschein kommen.

      In vielen meiner Charaktere steckt ein Stück von mir selbst und ich denke, dass es ihnen Leben einhaucht und sie sehr persönlich macht. Aber ich habe im letzten Jahr soviel Zeit mir Recherche verbracht, um einen Charakter glaubhaft schreiben zu können, der mir so überhaupt nicht entspricht, dass ich glaube, es geht auch so. Ich denke, man muss sich auf einen Charakter wirklich einlassen wollen, und ihn verstehen, um ihn "zum Leben erwecken" zu können - egal, ob man ihm ein Stück von sich selbst mitgibt, oder nicht.


      Zitat von Niam
      Allzu perfekt ist im Regelfall ja ziemlich langweilig und jede wirklich spannende Person besteht in ihrer Gesamtheit aus „guten“, „bösen“ und vielen, unterschiedlich hell- bis dunkelgrau gefärbten Charakterabstufungen.
      - Wieviel Grau sollte also in den edlen und „Guten“ Charakteren eingebaut sein damit sie nicht langweilig wirken und wie „edel“ darf der Fiesling sein, damit er bis zum Ende trotzdem der
      Bösewicht bleibt.
      - Gibt es Charaktere, die für die Geschichte wichtig sind, die man als Autor aber gar nicht mag? Und Wie geht ihr mit von euch „ungeliebten“ Figuren um?
      * Wenn z. B. eine Figur Charaktereigenschaften zeigt (bzw. zeigen muss) die sich so ganz und gar von eurer eigenen Meinung/Überzeugung/Lebensansicht unterscheidet oder ihr sogar völlig
      zuwider läuft, die besagte Figur aber für das Funktionieren eurer Storyline zwingend notwendig ist?
      * Wie gelingt es – oder was ist dafür notwendig – dass man als Autor gerade diesen Charakter glaub- und denkwürdig sowie lebendig „rüberbringen“ kann. - Schafft man es, das „hässliche
      Entlein“ lieben zu lernen?
      - Was ist für euch oder was bezeichnet ihr als eine Charakter-Fehlentwicklung?
      Ich denke, dass - wenn man Charaktere einfach menschlich und als dreidimensionale Wesen schafft - sich Grauzonen dabei von alleine ergeben, weil sie ein Teil von uns sind. Vieles ist auch einfach nur eine Frage der Perspektive.
      Der rechtschaffend gute Paladin kann aus Sicht des wie auch immer gearteten "Gegners" ein gnadenloser Fanatiker sein, während er sich selbst für gut und rein hält.
      Das freundlichste Mütterchen kann aufgrund von Vorerfahrungen/Aberglauben/Gerede schlimmste Vorurteile gegenüber einer bestimmten Volksgruppe haben.
      Der treueste Freund kann insgeheim neidisch und eifersüchtig auf den Helden sein. Die Frage wäre dann - wie weit bestimmen diese "bösen" bzw. dunklen Eigenschaften sein handeln?

      Ich denke, der Kernpunkt ist: Verständnis. Wenn die Überzeugungen, Wünsche, Bedürfnisse eines Charakters und seine Handlungen nachvollziehbar sind, geht für mich vieles - auch wenn die Taten selbst vielleicht wirklich wirklich schrecklich sind.
      Ich halte dabei wenig davon, Charakteren "gute" und "schlechte" Eigenschaften zuzuschanzen, nur damit sie halt welche haben. Sie sollten für mich einfach in sich stimmig sein und einen dreidimensionalen Charakter ergeben - nicht nur eine wahllose Zusammenstellung an Eigenschaften, die in Summe nicht viel Sinn ergeben.

      Bei mir lief der oben schon erwähnte Charakter so ziemlich all meinen Überzeugungen entgegen und ich hab wirklich, wirklich lange gebraucht, um ihn zu schreiben. Bei den ersten Versionen war ziemlich genau das rauszulesen, was ich von dem Charakter gehalten hab. Er hat unreif, naiv, selbstgerecht und arrogant gewirkt - weil ich ihn so gesehen hab. Also hab ich mich angefangen, wirklich mit ihm und diesem "Typ Mensch" auseinanderzusetzen und mich darauf einzulassen. Biografien gelesen, von Menschen, die ähnlich sind. Zugehört. Mitgefühl und Verständnis dafür entwickelt. Der Charakter entspricht mir immer noch nicht, aber ich mag ihn jetzt genauso gern, wie alle anderen POV Träger und ich denke (hoffe), man liest es auch raus.


      Zitat von Niam
      Wer sagt, wo es lang geht?
      Es wird ja immer wieder davon geredet, dass sich die Charaktere manchmal (ungeplant) „selbstständig machen“ und sogar den ursprünglichen Plan des Autors „sabotieren“ oder auch völlig ändern.
      - Ist euch das auch schon einmal passiert?
      - Wenn ja, welche Auswirkungen hat das auf euch und euer Werk gehabt?
      - Manchmal hör man ja auch, dass einem Autor die Figuren „davongelaufen“ sind.
      * Welche Auswirkungen hat das auf die Geschichte und – blöde Frage – gelingt es eigentlich die Figuren dann wieder „einzufangen“?
      * Worauf sollte man als Schreiberling achten, damit so etwas nicht vorkommt und wenn's dann doch irgenwie passiert ist – was dann? (Alles weg und ganz neu anfangen? Auf dem neuen Pfad weitermachen und den ganzen vorigen Plan umwerfen? Oder irgendeinen Kompromiss finden?)
      Mir passiert das eher selten, da ich mich im vorhinein so tief mit meinen Charakteren beschäftige und sie mit ihrer Vergangenheit, ihren Wünschen, ihren Themen und all ihren guten/schlechten Charakterzügen kennenlerne, dass ich sie und ihre Entwicklung meistens recht gut einschätzen kann. Meistens. ^^ Aber manchmal erlebe ich auch noch die ein oder andere Überraschung.

      Wie man damit umgehen sollte, hängt, denk ich, davon ab, wie man schreibt und wie experimentierfreudig man ist Kann sehr spannend sein, sich mit seinem Charakter auf den Weg zu machen und seine Entwicklung zu schreiben, während diese die Handlung in vielleicht ungeahnte Richtungen beeinflusst. Wenn die Geschichte nur mithilfe eines Rahmengerüsts funktionieren kann und einer oder mehrere Charaktere dieses auf einmal sprengen, sodass alles in sich zusammenfällt, ist das natürlich... blöd.


      Zitat von Niam
      Und zu guter Letzt:
      - Und (ok, jetzt bin ich echt neugierig - ich geb's zu) wie konsequent bestimmt ihr als Autoren die Richtung eurer Geschichte und wie sehr, dürfen eure Charaktere dabei mitmischen und ihren eigenen Kopf durchsetzen?
      Ich arbeite mit einem Rahmengerüst, das die Geschichte trägt und sie sicher vom Anfang zum Ende bringt. Dabei müssen an gewissen Stellen bestimmte "Checkpoints" erreicht werden, damit das ganze Ding auch funktionieren kann.
      Alles dazwischen ist eigentlich recht flexibel und ich hab eher eine grobe Idee, wie sich was ergibt und was genau passiert. Solange ich am Ende beim nächsten Checkpoint lande, überlasse ich es meinen Charakteren, uns dorthin zu bringen. Das hat sich als guter Kompromiss zwischen "strikte Planung" und "einfach drauflosschreiben" herausgestellt, der mir einerseits die Sicherheit gibt, mich nicht zu verzetteln, und andererseits die Freiheit, zu experimentieren. Wenn alles fix geplant wäre, hätte ich keine Lust am Schreiben mehr. Aber so ganz ohne "Landkarte" wäre es auch blöd. Da lande ich irgendwo - nur nicht am Ende der Geschichte.
      Zuletzt geändert von Rhagrim; 03.02.2025, 10:28.
      “No tree can grow to Heaven unless it’s roots reach down to Hell.”
      - C.G. Jung

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      • Araluen
        Moderator
        • 04.09.2023
        • 265

        #6
        Wie stark müssen bzw. wie schwach dürfen Figuren vor allem auch zu Beginn der Erzählung sein und wie deutlich muss/kann/soll ihre Entwicklung die Geschichte hindurch fortschreiten bzw. erkennbar sein?
        Protagonisten müssen in meinen Augen Potential zur Entwicklung mit sich bringen. Denn egal wie konfliktreich eine Geschichte ist: Es ist die Entwicklung des Protagonisten, die eine Geschichte wirklich spannend macht (ausgenommen Krimi und Thriller - das ist glaub der einzige Genrebereich, in dem sich der Protagonist meist gar nicht oder sehr minimal entwickelt, weil der Protagonist nicht die Geschichte trägt). Ein Protagonist, der sich nicht entwickelt, ist keine Geschichte wert, denn egal welcher Erzählstruktur man folgt: Im Kern geht es immer darum, dass der Protagonist aus seinem Alltag gerissen wird und sich völlig neuen Situationen stellen muss. Das geht nicht ohne einer Weiterentwicklung der Persönlichkeit vonstatten.
        Ich würde nicht danach gehen, wie stark oder schwach eine Figur ist, sondern wie viel Identifikationspotenzial sie hat. Das ist vor allem bei Protagonisten wichtig in meinen Augen. In ihrem Kern müssen es Figuren wie du und ich sein, damit wir mit ihnen mitfiebern können. Mit my girl Galadriel oder auch liebevoll der Galadiator genannt aus Rings of Power funktioniert das zum Beispiel überhaupt nicht. Denn die Figur kann alles, weiß alles und wer das anders sieht, wird zu Kleinholz verarbeitet. Keine Figur, mit der man sich identifizieren kann oder auch nur möchte - denn kaum einer möchte für sich in Anspruch nehmen, eine herablassende Bitch zu sein. Als Antagonist hätte sie so besser funktioniert (vor allem, da man sich gerade in der ersten Staffel auch sehr viel Mühe gegeben hat, Sauron als maximal sympathisch und vielleicht sogar missverstanden darzustellen).
        Trotzdem kann und soll ein Protgonist auch stark oder "mächtig" sein. Er braucht dann aber in jedem Fall dieses Detail, das ihn wieder in für den Leser greifbare Nähe rückt, etwas, das ihn "normal" werden lässt, ob das nun eine Schwäche ist oder einfach ein liebenswürdiges Detail.

        Wie ist es mit mehrbändigen Storys? Gibt es hier bei der Charakterentwicklung der Figuren ein „das bleibt jetzt grundsätzlich so bis zum letzten Band“?
        Für Protagonisten und Antagonisten gilt, dass ihre Entwicklung erst mit dem Ende des letzten Bandes abgeschlossen ist. Der Entwicklungsbogen einer Nebefigur kann bereits vorher enden.

        Worauf sollte man im Allgemeinen bei der Figurenentwicklung besonders achten, wenn man eine interessante Geschichte schreiben möchte?
        - Die Entwicklung sollte gezeigt werden sprich sich in den Taten der Figur widerspiegeln und nicht einfach vom Erzähler als Fakt beschrieben werden
        - Ich plane Figuren gerne nach dem Plotembryo. Hierbei durchläuft die Figur acht Stationen, die graphisch als Kreis angeordnet werden. Durch diese Anordnung stehen zwei Stationen einander immer gegenüber. Diese gegenüberliegenden Stationen sollten möglichst opponierend zueinander sein, um einen möglichst großen Spannungsbogen zu erzeugen.

        Wieviel von euch bzw. euren Erfahrungen steckt eigentlich in euren Charakteren, bzw. kann man eigentlich auch glaubwürdige Charaktere schreiben, ohne etwas von sich selbst mitzugeben?
        Es gibt immer wieder Themen aus meiner persönlichen Erfahrungswelt, die in meine Geschichten und Figuren hinein fließt. Ich würde aber nie so weit gehen, in einer meiner Figuren eine Art alter Ego zu sehen

        Es wird ja immer wieder davon geredet, dass sich die Charaktere manchmal (ungeplant) „selbstständig machen“ und sogar den ursprünglichen Plan des Autors „sabotieren“ oder auch völlig ändern.
        Wenn das passiert, ist das eigentlich immer ein Zeichen davon, dass die Figur noch nicht dort war, wo sie hinsollte.

        Und (ok, jetzt bin ich echt neugierig - ich geb's zu) wie konsequent bestimmt ihr als Autoren die Richtung eurer Geschichte und wie sehr, dürfen eure Charaktere dabei mitmischen und ihren eigenen Kopf durchsetzen?
        Ich designe die Geschichte. Die Figuren halten sich ans Drehbuch, außer ich baue Mist.

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