Wie glaubwürdig und machbar müssen Szenen in einem Roman eigentlich sein?

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  • Niam
    Redakteur
    • 05.09.2023
    • 86

    Wie glaubwürdig und machbar müssen Szenen in einem Roman eigentlich sein?

    Grau, grau ist alle Theorie, sagt man. Darum - wenn man etwas wissen möchte, sollte man sich klugerweise gleich an die Praktiker wenden. Also – hier bin ich wieder…

    Als ich vor Jahren einem Krimiautor gegengelesen hatte, habe ich eine Szene bemäkelt, in der eine Figur auf eine Art und Weise abgemurkst wurde, die (ausprobiert und nachgewiesen) in der Realität - so - absolut nicht funktioniert hätte. Das hat besagten Autor natürlich nicht sehr gefallen und da sind wir dann natürlich klarerweise über die Frage gestolpert: „Wie glaubwürdig, realistisch und durchführbar müssen/sollen die Szenen in einem Roman eigentlich sein - Und macht es einen Unterschied um welches Genre oder um welchen Ort es sich handelt, wenn in der Welt, in der die Story spielt, nun einmal gewisse Naturgesetze oder bestimmte Handlungsspielräume vorgegeben sind?“

    Dürfen also zuvor vorgegebene Eckpunkte/Realitäten Naturgesetze (egal ob in der realen Welt, oder einer Fantasy- oder SF-Welt) von den Autoren auch einfach ausgehebelt oder zumindest besonders kräftig gedehnt werden und wenn ja – aus welchem Grund? Eigentlich herrschen ja – egal in welchen Welten – immer gewisse Naturgesetze (was die Kräfte oder Energien der Figuren, technische Fertigkeiten, magische Möglichkeiten usw. betrifft) die natürlich je nach Welt/Umgebung unterschiedlich sein können, aber es wird sie dennoch geben müssen, damit eine Welt bzw. ein Universum einen Rahmen hat und funktioniert.

    Wie wichtig sind euch als Autoren „Eckpunkte“, "Glaubwürdigkeiten", "realitischen Szenarien und Handlungen" und wie steht ihr zu eventuellen „Tabubrüchen“ in euren Geschichten? Und wieviel Mühe macht es bzw. macht ihr euch die Mühe, um ab und zu normalerweise absolut „Unglaubwürdiges“ glaubwürdig zu machen?
    (Nur so am Rande: Eine, der am gekonntesten geflunkerten technischen Erklärungen ist für mich in dem Buch "Timeline" von Michael Crichton zu finden. Hier kommt dieser „Quantenschaum“ vor, mit dessen Hilfe - sowie der Unterstützung von Spiegeln als „Verstärker“ usw. - die Protagonisten in die Vergangenheit und wieder zurückreisen konnten. Das war so gekonnt geflunkert, dass es beim Lesen eigentlich völlig klar war, dass das eigentlich nur so funktionieren kann. Ich war damals wirklich schwer beeindruckt von der Erzählgewalt des Autors.)

    Also - wie glaubwürdig muss sich für euch ein Buch lesen und was bedeutet bzw. wie wichtig ist für euch "Glaubwürdigkeit" in der Geschichte als Autor?
  • Aidan
    Moderator
    • 03.09.2023
    • 266

    #2
    Hallo Niam,

    wieder mal eine richtig schöne Frage!

    Wie realistisch... äh... Fantasyautor... Also, mir ist es schon wichtig, dass in dem Rahmen, den das Setting vorgibt, die Regeln der Welt bewahrt bleiben - oder es eine gute Begründung gibt, warum zum Beispiel mein Prota/Anta/RetterInDerNot etwas machen kann, was vorher als unmöglich dargestellt wurde. Klar, in einer von Magiern und co bevölkerten Welt sind andere Dinge möglich, als wenn ich eine Geschichte in unserer Welt spielen lasse, ohne Magie, ohne Drachen, Elfen und was dazu gehört. Es sollte innerhalb der Welt in sich kongruent sein.
    Als ich vor Jahren einem Krimiautor gegengelesen hatte, habe ich eine Szene bemäkelt, in der eine Figur auf eine Art und Weise abgemurkst wurde, die (ausprobiert und nachgewiesen) in der Realität - so - absolut nicht funktioniert hätte.
    Du machst mir Angst... Ausprobiert und nachgewiesen... Ähm... Wie gut, dass es nicht funktioniert hätte...

    Wie wichtig sind euch als Autoren „Eckpunkte“, "Glaubwürdigkeiten", "realitischen Szenarien und Handlungen" und wie steht ihr zu eventuellen „Tabubrüchen“ in euren Geschichten? Und wieviel Mühe macht es bzw. macht ihr euch die Mühe, um ab und zu normalerweise absolut „Unglaubwürdiges“ glaubwürdig zu machen?
    Es ist mir wichtig und ich versuche nach meinem Wissenstand realistisch und glaubwürdig zu schreiben, also, so weit wie Fantasy das halt sein kann. Leider habe ich selber keine Erfahrungen beim Thema (Schwert)kampf, so dass die Kampfszenen für mich eine Herausforderung sind. Ich versuche sie mir dann so gut wie möglich vorzustellen, was physisch möglich ist.

    Wie meinst du "Tabubrüche"?

    Mal schauen, was mir zu deinen Fragen mit der Zeit noch einfällt...

    Kommentar

    • Rhagrim
      Moderator
      • 03.09.2023
      • 417
      • Staring down the Abyss

      #3
      Zitat von Niam
      [habe ich eine Szene bemäkelt, in der eine Figur auf eine Art und Weise abgemurkst wurde, die (ausprobiert und nachgewiesen) in der Realität - so - absolut nicht funktioniert hätte.


      Für mich muss eine Szene, oder auch eine Charakterentwicklung oder ein Setting möglichst glaubwürdig sein - im Rahmen der jeweils vorgegebenen Möglichkeiten, je nachdem ob es sich dabei um einen historischen Roman, einen Krimi oder eine Fantasy/SciFiWelt handelt, die eigenen Regeln folgt.
      Ich persönlich habe nichts gegen "gut geflunkert", zumal man nie alles wissen kann und es wohl auch nicht voraussetzen kann, dass Autor ALLES bis ins letzte Detail recherchiert, oder sich kreative Lösungen für knifflige Probleme ausdenkt. Aber Beispiele wie z.B....
      • (Historischer Liebesroman): Held erklärt mit leidender Miene, dass das Kettenhemd auf der nackten Haut scheuert (Nein. Einfach nur nein. Man trägt das so nicht. Ein Minimum an Recherche wäre schon nett)
      • (Liebesromane allgemein): Schwer traumatisierter Held verliebt sich in die Heldin und aus dem missmutigen/brutalen/misstrauischen/(sonstiges) Kerl wird plötzlich ziemlich übergangslos ein netter Kerl - because it´s love. (Glaubhafte Charakterentwicklung wäre nett, die den Weg von Punkt A nach Punkt B zeigt, und ihn nicht innerhalb eines Kapitels vom Start- zum Endpunkt katapultiert)
      • (z.B. Drachenzähmen leicht gemacht 2): Unerklärliche, unerklärte Kräfte, die plötzlich den "Gottmodus" eines Charakters aktivieren, und ihn quasi unbesiegbar machen und ihn mit Leichtigkeit gegen Gegner bestehen lassen, die er eigentlich unmöglich besiegen kann und die bis dato als übermächtig dargestellt wurden. Wertet meiner Meinung nach die bis dato beeindruckenden Gegner ab und lässt den Sieg unglaubwürdig, unverdient und schal wirken
      • (Beliebiges Genre): Die Rettung aus "auswegslosen Situationen" in letzter Minute durch wahlweise Glück oder Gandalf. (Ok, wenn es meinetwegen einmal als Notlösung passiert, oder wirklich glaubhaft rüberkommt. Ansonsten finde ich so etwas eher ziemlich langweilig und unkreativ gelöst, vor allem wenn es sich in regelmäßigen Abständen wiederholt)
      ... nehmen mir oft die Freude an der Geschichte, weil sie wahlweise auf einmal unglaubwürdig und oberflächlich wirkt, oder einfach keine Spannung entsteht, weil "der Held eh irgendwie in letzter Sekunde wieder mal gerettet wird, oder plötzlich unerklärliche Kräfte entwickelt". Ich klappte dann auch gern mal ein Buch zu und lege es beiseite.
      Umso glaubhafter sich etwas für mich liest, desto interessanter wird es meist für mich. Deswegen gebe ich mir (obwohl ich Fantasy schreibe) schon sehr große Mühe, möglichst viel zu recherchieren und die "because it´s Fantasy" Begründung, wenn überhaupt, nur ganz selten (zähneknirschend) im Notfall zu benutzen, wenn mir wirklich nichts anderes übrigbleibt.

      Aber das ist wohl, wie so oft, Geschmackssache.

      “No tree can grow to Heaven unless it’s roots reach down to Hell.”
      - C.G. Jung

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      • Yamuri
        Kaffeejunkie
        • 04.09.2023
        • 373

        #4
        Was ist glaubwürdig? Fängt es mit der Frage nicht schon an?

        Was für mich glaubwürdig ist, kann sich eine andere Person vielleicht nur schwer vorstellen. Es gibt Themen, die man nicht nachweisen kann, die auf reinem Glauben oder nicht Glauben beruhen.
        Wenn es jetzt um Seelentheorie geht z.B. wir wissen einfach nicht, was die Seele ist. Wir wissen nicht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Wir wissen nicht ob Reinkarnation etwas Reales ist.
        Es gibt noch andere Beispiele.

        Wie glaubwürdig Theorien dazu für jemand sind, hängen so sehr von der subjektiven Wahrnehmung und dem persönlichen Glaubensbild ab.

        Aber auch wenn es psychologische Dinge sind. Es gibt Fälle, die eher selten sind. Wir haben tatsächlich von traumatisierten Menschen sehr engmaschige Vorstellungen, insbesondere was deren Verhalten anbelangt. Weicht dann das Verhalten einer Figur ab, wird es für manche Unglaubwürdig. Aber es gibt eben nicht das eine "traumafolge Verhalten". Jeder geht anders damit um. Ja, es gibt Menschen, die schreckliches Überleben, sich aber genau nicht so verhalten, wie man klassischerweise erwarten würde.

        Es gibt auch Fälle, bei denen sich ein Mensch tatsächlich über Nacht um 180 Grad ändert. Zumindest gefühlt. Und in Büchern wird oft alles so dargestellt, als passiere es an einem Tag. Ist aber meist genau nicht der Fall. Viele Ereignisse ziehen sich normalerweise eben über viele Tage oder sogar Wochen. Gerade auch Polizeiermittlungen brauchen Zeit. Also warum nicht deutlicher zeigen, dass Zeit vergangen ist? Warum nicht einfach zeigen, dass da ein Timeskip ist und das dazwischen einfach so langweilig, dass es nicht extra erzählt wird, weil das Einzige was passiert ist, die Traumaaufarbeitung war für eine Person. Ich persönlich fände es zwar aus persönlichen Gründen spannend die Traumaaufarbeitung zu lesen ^^ aber es würde mich nicht stören, wenn es jemand überspringt und sagt, drei Jahre später und dann zeigt wie es der Person jetzt geht.

        Glaubwürdigkeit hängt auch sehr davon ab, wie viele Erfahrungen man selbst schon gemacht hat, wie viel man gesehen hat von der Welt, wie viel man weiß. Umso mehr man weiß, desto überraschter ist man oft, was es nicht alles für ungewöhnliche Dinge gibt. Daher ist das für mich mit der Glaubwürdigkeit immer so eine Sache. Es gibt Fälle, da ja, ist es eindeutig. Aber das Leben ist tatsächlich meist nicht so eindeutig und klar, sondern chaotisch und undurchsichtig. Von daher - erst wenn ich einen wissenschaftlichen Beweis dagegen gefunden habe, verliert es für mich an Glaubwürdigkeit. Solange ich nicht für mich belegen kann, dass es unmöglich ist - ist alles möglich.

        Kommentar

        • Niam
          Redakteur
          • 05.09.2023
          • 86

          #5
          ​ Vielen Dank, dass ihr uns an euren Ansichten und Einschätzungen teilhaben lasst, es ist immer wieder sehr spannend, eure Meinungen zu lesen!

          Ja, das mit der Glaubwürdigkeit ist so eine Sache - wenn die betreffende Handlung zumindest theoretisch möglich wäre und dabei auch noch gut "gelogen" ist, finde ich es spannend zu lesen und amüsiere mich dabei auch sehr.

          Wenn aber z.B. eine eher moderate bis unsportliche ganz gewöhnliche 0-8-15 Person in einer unerwarteten Situation ganz plötzlich mit riesigen Kräften oder enormer Ausdauer aufwartet, ohne, dass sie unter Drogen steht, sich durch einen Zauberspruch "gedopt" hat oder heimlich für den Marathon trainiert hat - ganz egal ob sie sich in unserer Welt befindet oder in eine Parallelwelt gewechselt hat - ist das für mich ein absolutes "No-Go".

          Körperliche Limits, Umweltgegebenheiten, rassetypische Verhaltensweisen (ein Hund bellt, jault, knurrt, ein Pferd wiehert, eine Katzer faucht, knurrt und kratzt in unserer Welt nun einmal)
          und bestimmte Familienähnlichkeiten (z. B. Familie Klugscheißer hat vieleicht zusammengewachsenen buschige Augenbrauen, die Dusselkopps haben immer eine sechste Zehe an den Füßen, möglicherweise ein fliehendes Kinn, extrem helle Haare usw. .....) die zu Beginn der Geschichte festgelegt wurden, sollten - meiner bescheidenen Meinung nach - ohne eine eingängige Erklärung nicht einfach nach Lust und Laune außer Kraft gesetzt werden. Das irritiert, verwirrt und nervt mich im Endeffekt total.

          Oder Situationen, die vielleicht in der Vorstellung lustig klingen, aber bei kühler Betrachtung nicht möglich sind - wie z.B. mit einem Einbaum einen reißenden Wildwasserfluss mit großen Stromschnellen entschlossen aufwärts paddeln oder vielleicht nach einem anstrenenden Marsch, stundenlangen Kampf auf Leben und Tod dann in einer Höhle in der Felswand als Abschluss ein schweißtreibendes Techtelmechtel haben und dann noch ganz locker und erfrischt Freestyle zum Gipfel klettern und dabei noch einige angreifende kleiner Monster außer Gefecht setzen....
          aber auch ein Setting auf der Erde in unserer Zeit - mit aktuell gültigen und gängigen Regeln - kann Probleme bereiten, wenn gegen Ende des Buches zuvor gezeigte Realitäten plötzlich komplett umgeschmissen wird. Wenn sie sich auf die Person bezogen, wenn sich die schwer versehrte HP mit großen mentalen Probleme ohne Vorwarnung ganz plötzlich als streng-logisch denkender, kampftüchtig durchtrainierter, neuer Leader, der mit Magie ganz gekonnt nur so um sich wirft entpuppt, und zwar ohne, dass es zuvor "vorbereitet" oder erklärt wurde.

          Das sind für mich "Tabubrüche", wenn zuvor festgelegte Parameter denen die Geschichte und die Figuren folgen, mit einem Mal grundlos über den Haufen geworfen werden und so plötzlich die Geschichte nicht mehr zu den "neuen" mit einem "Puff" weiterentwickelten Figuren passt - oder umgekehrt.

          Natürlich ist, wie Rhagrim schon sagte, am Ende alles "Geschmackssache" ​ und das ist auch gut so.
          . ​​

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          • Yamuri
            Yamuri kommentierte
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            Ja, deine Beispiele meinte ich auch, in Bezug auf - es gibt Dinge, die sind eindeutig und sollten auch so bleiben. Katzen miauen, Hunde bellen, wäre sonderbar, wenn andersrum. Das ist auch der Grund warum ich bei einem Projekt noch überlege, ob ich die "Pferde" nicht umbenenne und ihnen doch einen Eigennamen verpasse - denn es sind keine echten Pferde, sie sehen Pferden nur sehr ähnlich, können aber Wasser speichern, wie man das nur von Kamelen/Dromedaren bei uns kennt. Sie sind auch Tiere, die eben in dieser anderen Welt beheimatet waren/sind. Und Regeln, die man selbst aufstellt, sollte man auch nicht plötzlich außer Kraft setzen, oder wenn es zu einer Ausnahme kommt, eine gute Erklärung dafür haben, weshalb da eine Ausnahme ist.
        • Katharina Valentina
          Milchtrinker
          • 17.09.2024
          • 9

          #6
          Ganz allgemein funktioniert das, was am Anfang behauptet wurde, dass es funktioniert.
          Damit sind zB. die Schwerkraftregelungen in the fast and the furious zwar unmöglich, aber da von Anfang an klargemacht wird, dass sie in diesem Setting funktionieren, bilden sie so etwas wie ihr eigenes Magiesystem. Oder Krimis, die bewegen sich ja nicht in der Realität, sondern in einer Fantasiewelt, die unserer Realität sehr ähnelt. Oder Glee - die Leute in der Schule sind ja auch nicht random aufgestanden und haben gesungen
          Setup -> Payoff.
          Deshalb können wir als LeserInnen zwar sagen, "meh mir gefällt das nicht, weil so und so", aber wenn es in der Geschichte stimmig ist, dann ist es auch glaubhaft. Das ist bei Magie besonders schwierig, heutzutage wollen Leser mehr Erklärungen, weswegen die mystische Seite der Magie immer mehr einer mathematischen weicht. Ich persönlich hätte Lust auf mehr mystische Magie!
          Manchmal möchte ich gern über Dinge hinwegsehen, die nicht "funktionieren", weil sie eben ein Stilmittel sind. Geschichten sind von vornherein nicht glaubhaft, weil sie auf eine Art und Weise aufgearbeitet wurden (Zeitdehnung und Zeitstreckung, Fokus auf Wichtiges, Ignorieren von Unwichtigem), dass sie dem Format eines Buches (oder Film -> da gelten wiederum andere Regeln, weil visuelles Medium) entsprechen.
          Deshalb könnten meiner Meinung nach auch Katzen bellen und Hunde miauen - wenn es innerhalb der Geschichte wichtig und stimmig ist und sie bereichert.
          Die unerklärliche Entwicklung von Kräften des Helden kann deshalb auch sehr stimmig sein, wenn er zb. einen Arc abgeschlossen hat und der "Gottmodus" eine Belohnung oder Symbol seiner Weiterentwicklung ist. Aber wenn das zu oft benutzt wird, wird es natürlich langweilig.

          Eine Frage in die Runde: was sind denn für euch kreativere Lösungen, um solche Situationen zu schreiben? Habt ihr Beispiele dafür, wie es gut gemacht wird? Wie geht ihr damit um?

          Kommentar

          • Araluen
            Moderator
            • 04.09.2023
            • 245

            #7
            Ich denke eine Szene muss dem gesunden Menschenverstand standhalten und ihn dabei dazu bringen auch das Unglaubwürdige hinzunehmen (Suspension of Disbelief) um der Geschichte willen. Das hängt natürlich auch stark von der Lebenserfahrung des Einzelnen ab.
            Ein nettes Beispiel hab ich hier aus der Herr der Ringe Filmtrilogie.
            Achtung Spoiler:
            Im dritten Film wird Saruman von Schlangenzunge hinterrücks erstochen und stürzt vom Turm.
            Regisseur Peter Jackson wünschte sich einen lauten Schrei von Saruman Darsteller Christopher Lee. Er hielt das für glaubwürdig. So wäre die Szene schön dramatisch. Wer verletzt wird, schreit. Passt. Ich glaube, die meisten würden die Szene mit völliger Selbstverständlichkeit abnicken und es als glaubwürdig befinden, wenn Saruman mit einem letzten Schrei auf den Lippen in die Tiefe stürzt. Nur Christopher Lee nicht. Er las die Anweisung, ging zu Jackson und machte ihm klar, dass ein Schrei in diesem Moment alles ist, nur nicht passend. Denn Christopher Lee war Kriegsveteran. Er hat erlebt, wie Menschen hinterrücks erstochen oder erschossen wurden. Von denen hat keiner geschrien - geht bei einem Lungentreffer nämlich nicht. Tatsächlich bringt man nur ein kurzes Keuchen raus. Die Szene wurde dann auf Lees Weise abgedreht.

            Anderes Beispiel wieder Herr der Ringe, diesmal aber Ringe der Macht, die Schlacht um Eregion:
            Achtung Spoiler:
            Die Orks beschießen mit dem Katapult auf sehr lange Strecke eine Bergwand, treffen dabei genau den einen kleinen Fels, der den Überhang stabil hält. Die Felswand bricht zusammen und staut den Fluss und zwar genauso, dass das Wasser nirgendwo zur Seite ausbricht oder sonst irgendwas tut. Die Orks schieben dann ihr Belagerungsgerät problemlos über den Flussgrund. Wenig später nimmt Elronds Reiterei genau den gleichen Weg und versinkt im Morast.
            Hier wird die Suspension of Disbelief derart strapaziert, dass sie nur reißen kann. Hier ist es die Fülle an unglaubwürdigen Wendungen, welche die Stimmung der Szene zerplatzen lassen und den Zuschauen am Ende dazu bringen einfach alles zu hinterfragen. Als ich sah, wie die Katapulte auf die Felswand zielten, dachte ich mir: Ja ne ist klar... aber gut, sieht immerhin cool aus.
            Als dann das Belagerungsgerät über den spontan getrockneten Morast geschoben wird, musste ich lachen und es war kein gutes Lachen. Als dann Elronds Reiterei versank, wusste ich nicht, ob ich weinen sollte. Es ergibt einfach vorne und hinten keinen Sinn.

            Bei Fantasy ist das Contingent für die Suspension of Disbelief beim Leser sehr groß. Der Leser entscheidet sich ja bewusst für eine Geschichte, die mit der Realität nichts zu tun hat. Deshalb akzeptiert er ohne Probleme Menschen, die Geister sehen können oder mit Feuerbällen um sich werfen. Solange es in sich stimmig ist, bestehen diese Dinge den Realitätscheck. Grundlegende Gesetzmäßigkeiten müssen aber trotzdem bestehen bleiben. Wenn jemand erschossen wird, hat der gefälligst am Boden zu liegen und zu sterben. Wenn er dann wieder aufspringt und munter weiter kämpft, bleibt es unglaubwürdig. Wenn es heißt: Jeder Magier nur ein Element und plötzlich wirkt Prota einen Blitz, obwohl er Feuermagier ist, dann ist das unglaubwürdig.
            Demon Slayer fällt mir hier gerade ein als Beispiel. Was mich hier tierisch nervt und hart an meinem Suspension of Disbelief kratzt, sind tatsächlich die Kämpfe. Demon Slayer gegen Dämon. Dämon landet einen vernichtenden Treffer und durchbohrt den Slayer mit einer vergifteten Klinge. Wenig später hüpft der Slayer wieder herum mit den Worten "Mein Körper hat sich an das Gift angepasst und außerdem kann ich meine Organe verschieben!" (kein Witz, das kam wirklich so). Da war ich kurz davor, auszuschalten. Ich bin da bereit, viel abzunicken. Die Slayer haben spezielle Kampftechniken basierend auf Atemtechniken. Es wird mehrmals gezeigt, wie sie mit konzentrierter Atmung sogar innere Blutungen stillen können. Da ist man irgendwann echt bereit zu akzeptieren, dass die einfach per Willenskraft einfach immer weitermachen und irgendwo dann doch immernoch die allerletzten letzen Kraftreserven ausgraben. Aber das war... eigentlich schon über der Grenze.

            @Yamuri
            Was für mich glaubwürdig ist, kann sich eine andere Person vielleicht nur schwer vorstellen. Es gibt Themen, die man nicht nachweisen kann, die auf reinem Glauben oder nicht Glauben beruhen.
            Wenn es jetzt um Seelentheorie geht z.B. wir wissen einfach nicht, was die Seele ist. Wir wissen nicht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Wir wissen nicht ob Reinkarnation etwas Reales ist.
            Es gibt noch andere Beispiele.
            Hier kommt es darauf an, wie es in die Geschichte eingeführt wird. Wenn in der Geschichte vorbereitet wird, dass Reinkarnation etwas im Bereich des Möglichen ist, dann wird das abgenickt für diese Geschichte, selbst wenn der Leser normalerweise nicht an das Konzept glaubt. Wichtig ist, dass im Vorfeld die Regeln für die Geschichte abgesteckt werden. Wenn ich jetzt aber zum Beispiel einen Krimi lese... - klassischer Standard, Ermittler ermittelt mit ganz normalen Methoden in einer ganz normalen Stadt wie wir sie kennen - und das zweite Opfer des Killers plötzlich im Körper eines kleinen Kindes in die Polizeiwache kommt, behauptet es sei inkarniert und übrigens X sei der Mörder. Dann... ich vermute stark, dann zweifeln viele an der Geschichte. Aus diesem Grund haben auch Sherlock Holmes Geschichten mit phantastischen Themen nie ein Bein auf den Boden gekriegt. Es gibt da eine Auskopplung einer sonst sehr gut laufenden Hörspielreihe - die Sherlock Holmes Phantasticals. Zunächst gab es zwei phantastische Folgen in der Hauptreihe - die Zeitmaschine und der Werwolf. Die Zeitmaschine war tatsächlich eine Interpretation des Romans "die Zeitmaschine" mit Holmes als zentrale Figur. "Der Werwolf" handelt gar nicht von echten Werwölfen - die werden schnell als Menschen mti Hypertrichose identifiziert - dafür gibt es ein Frankensteins Monster. Die Folgen kamen gar nicht gut an. Holmes und Phantastik passen nicht zusammen. Weil der Verlag die Kombination aber spannend fand, haben sie eine eigene Reihe ausgekoppelt eben die Sherlock Holmes Phantasticals. Die Reihe wurde nach knapp sieben Folgen wieder eingestampft. Die Hörer mochten sie einfach nicht. Holmes und echte Geister? No way, nicht glaubwürdig. Die Hauptreihe hingegen läuft gut und hat gerade Folge 121 rausgebracht. In der Hauptreihe kam später noch einmal eine Folge mit einer Bestie, ähnlich der Bestie von Gevaudan. Die Folge ist auch eher unbeliebt, weil zu abgegreht. Und ja ich muss sagen: Am Plot gibt es bei den Geschichten eigentlich nichts auszusetzen. Die Geschichten sind gut. Aber zusammen mit Holmes, der dafür steht, dass sich alles übernatürliche logisch erklären lässt und stets eine sehr irdische Ursache hat, passt es einfach nicht, weil damit genau diese Grundregel unterwandert wird. Mit jeder anderen Hauptfigur hätten die Geschichten sehr gut funktioniert und man könnte sie locker als glaubwürdig abnicken.

            Aber auch wenn es psychologische Dinge sind. Es gibt Fälle, die eher selten sind. Wir haben tatsächlich von traumatisierten Menschen sehr engmaschige Vorstellungen, insbesondere was deren Verhalten anbelangt. Weicht dann das Verhalten einer Figur ab, wird es für manche Unglaubwürdig. Aber es gibt eben nicht das eine "traumafolge Verhalten". Jeder geht anders damit um. Ja, es gibt Menschen, die schreckliches Überleben, sich aber genau nicht so verhalten, wie man klassischerweise erwarten würde.
            Keine fiktive Geschichte aber ein gutes Beispiel dafür: Natascha Kampusch. Sie hat sich nicht verhalten, wie die Gesellschaft der Meinung war, dass sich ein Opfer von Entführung und Missbrauch zu verhalten habe. Also wurde sie angezweifelt und angefeindet. Total absurd.
            Hier sind wir dann vor allem beim Show don't tell oder wie ich es lieber übersetze; Beweise und behaupte nicht. Natürlich kann das traumatisierte Opfer lustig durch die Gegend hüpfen wie ein Flummi. JEder geht mit Trauma anders um. Lasse ich das aber einfach als Behauptung so stehen, wirkt es schnell unglaubwürdig. Es passt mit der Erfahrungswelt vieler Menschen einfach nicht zusammen. Frei nach dem Motto: Wenn mir etwas schlimmes passiert, dann bin ich ängstlich und traurig und geh bestimmt nicht lachend Trampolin Springen. Tja, aber man steckt halt nicht drin. Als Autor kann man den Leser aber "reinstecken", indem man ihn am Innenleben der Figur teilhaben lässt. Dort sollte sich die Verletzung dann zeigen. Und dann ist es wieder glaubwürdig. Wenn also etwas auf den ersten Blick nicht glaubwürdig ist, ist es Aufgabe des Autors zu erklären (ohne Erklärbär sondern durch Zeigen), warum es das doch ist.

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            • Katharina Valentina
              Katharina Valentina kommentierte
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              ist total spannend, das zu lesen - da merke ich, dass ich mir manchmal echt nicht genügend Gedanken im Voraus in meiner Geschichte mache. Eigentlich müsste man beim Schreiben schon um 5 Ecken herum denken, immer alles im Blick behalten.
              Vor allem das mit der Traumatisierung finde ich ein gutes Beispiel, das auch Arcane gut auffasst - da geht es ja um das "Monster", quasi Manifestation der Traumatisierung, das man zähmen muss/freilassen muss/Ignorieren muss etc.pp. - dadurch, dass verschiedene Figuren einen eigenen Zugang zu diesem Thema haben, wird die Geschichte spannend. Erinnert mich auch an ein Zitat, weiß nicht, von wem: "Mein Vater war Alkoholiker, deshalb trinke ich keinen Tropfen." vs. "Mein Vater war Alkoholiker, deshalb bin ich auch Alkoholiker."
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