Planen und plotten oder einfach drauflos schreiben? – Storybeginn als Herausforderung

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  • Niam
    Redakteur
    • 05.09.2023
    • 86

    Planen und plotten oder einfach drauflos schreiben? – Storybeginn als Herausforderung

    Eine Geschichte zu schreiben hört sich so einfach an, wenn man sich aber selbst die Feder in die Hand nimmt und sich voll Enthusiasmus vor ein Blatt Papier oder vor den Computer setzt, dann fällt oft schon der erste Satz schwer. Warum eigentlich? Und wieso ist ein gut gemachter Geschichtseinstieg so wichtig?

    Die Inspiration ist da, die zündende Idee
    sorgt für Einfälle und man hat vielleicht bereits eine ganze Kiste voll mit ungeordneten Szenenschnipseln, Schauplätzen, vielleicht schon einige Namen und eventuell einige Charaktere dazu im Kopf - und jetzt? Wie soll man die ganze Sache am besten angehen?
    • Die Ideenkiste ausleeren und einfach einmal fröhlich zu puzzeln beginnen?
    • Einen genauen Plan aufstellen den man unter allen Umständen einhält?
    • Einen roten Faden spannen und das Drumherum geschehen lassen und schauen, wohin es führt?
    • Eine grobe/genaue Landkarte kreieren, die Figuren hineinsetzen und ihre Abenteuer auswürfeln?
    • Eine Prämisse als Leitfaden nehmen und die Abenteuer im Buch darauf ausrichten?
    • Nur den groben Rahmen locker vorgeben und – wie bei einem Stegreiftheater – einfach die
      Figuren bestimmen lassen?
    Meiner bisherigen Erfahrung nach ist es für viele Autoren eine wirkliche Herausforderung, einen guten und spannenden Anfang bzw. Einstieg in die jeweilige Geschichte zu finden. Bei einer Menge Bücher - unterschiedlichen Genres - merkt man sehr deutlich, dass sich der jeweilige Autor erst nach einem etwas „holprigen“ oder langatmigen Einstieg nach und nach „einschreibt“.
    Oft denkt man sich dann zu Beginn „Na das kann ja was werden“ oder „Das zieht sich aber schon sehr“ und legt das Buch unzufrieden oder enttäuscht vielleicht (manchmal etwas voreilig) endgültig zur Seite.

    Wenn man bei manchen "schwachen" Werken aber die ersten 30/40 Seiten durchgehalten hat - so ist es zumindest mir schon öfters passiert - kann es durchaus sein, dass das Buch dann Kapitel für Kapitel immer besser und spannender wird und sich ein vermeintlicher „zerbröselnder Kalkbrocken“ als „verborgener Edelstein“ entpuppt.
    Schon oft habe ich mich deswegen gefragt: „Warum - um alles in der Welt - hat der Autor nach Abschluss des Buches nicht den Anfang gleich noch einmal neu geschrieben, wenn er schon im „Schreibflow“ ist?“

    Schaltet sich der Drang und die Begeisterung zu schreiben ab, sobald man „Ende“ unter den letzten Satz geschrieben hat oder ist das Thema "Beginn einer Geschichte" bzw. gelungener Bucheinstieg tatsächlich eine so große und fast unüberwindliche Herausforderung für manche Autoren?

    Woran liegt es, dass manchmal Mitte und Ende eines Buches wirklich interessant und spannend zu lesen sind, aber der Anfang da so überhaupt nicht mithalten kann.

    Ich könnte mir gut vorstellen, dass etliche Leseratten unzufrieden und enttäuscht das vermeintlich „fade“ Buch zuklappen, noch bevor sie die „warmgeschrieben“ Kapitel erreichen und so einige wirklich gute Bücher - gleich aus welchem Genre - durch einen schwachen Beginn ihre Chancen weiterempfohlen zu werden vielleicht verpassen.

    Worauf sollte man als Autor also achten, wenn man schon bei Storybeginn mit einem guten „Einstieg“ punkten möchte um seine zukünftigen Leser von Beginn an "einzufangen" und zu bezaubern?
    Welche Tipps oder Tricks habt ihr als Profis da "auf Lager" um einen flotten und ansprechenden Storybeginn zu kreieren?

  • Araluen
    Moderator
    • 04.09.2023
    • 245

    #2
    Vielen Dank Niam für deine vielen tollen Fragen hier in den Threads

    Meine Art zu Plotten:
    Ich bin Plotter und arbeite mit unterschiedlichen Plotmethoden derzeti bevorzugt mit 3-9-27, Plotembryo oder die erste Hälfte der Schneeflockenmethode. Nebenher entwickle ich die Figuren und ihre Vorgeschichten. Das hört sich vielleicht mega strukturiert an, ist es aber nicht Ich würde sehr gerne einmal einen Szenenplan haben, aber wenn ich so im Detail plotte, dann langweile ich mich. Die Geschichte ist auserzählt, noch ehe ich begonnen habe. Aber ich brauche straffe Leitlinien, damit alles Sinn ergibt. Einfach drauf los schrieben, ist nicht mein Ding. Insgesamt ist es tatsächlich eher so, dass ich Geschichten entwickle und nicht entdecke, zumindest im groben Rahmen. Was ich gerne entdecke sind die Details.

    Der Anfang einer Geschichte ist immer das Schwierigste und vermutlich das, was am häufigsten umgeschrieben wird.
    Ich denke, das liegt vor allem daran, dass Autoren oft nicht wissen, wo sie am besten anfangen sollen und dann zu früh mit der Geschichte starten bzw. sich selbst erst in den Protagonisten reinfühlen müssen, ehe sie richtig loslegen können. Da entstehen dann viele Seiten, die zwar nett sind aber keinen griffigen Anfang darstellen. Manchmal glaubt ein Autor auch einfach nur, er bräuchte noch die und die Erklärung, diesen Blick in den Alltag des Protas und diesen Teil vom Worldbuilding. Ich bin der Meinung, dass man immer an die Intelligenz der Leser glauben und auch appellieren sollte. Leser brauchen nicht alles vorgekaut kriegen. Wenn ich lese, kann ich das auch gar nicht leiden.
    Wenn der Autor dann aber endlich in seiner Geschichte angekommen ist, offenbart sich bei vielen, dass sie wirklich was drauf haben und eine interessante Geschichte liefern. In meinen Augen sollte in so einem Fall eine gute Beta helfen und das direkt ansprechen. In manchen Fällen kann getrost das gesamte erste Kapitel gestrichen werden.

    Ich persönlich überarbeite ja viel lieber als zu schreiben - klingt etwas komisch bei einem Autor, ich weiß Mein aktuelles Projekt befindet sich derzeit im siebten Draft, wobei ich noch nie weiter als zum Beginn des zweiten Aktes gekommen bin. Ja, ich schreibe gerade zum siebten Mal den ersten Akt, im Augenblick noch mit dem Gefühl, dass es so nun endlich richtig ist, wie es ist. Dabei hat das Projekt mehrere Settingwechsel durchgemacht, Figuren wurden verändert oder ganz gestrichen (und später wieder rein genommen) und die Perspektiven reduzierten sich von drei auf eine und nun hat sich der Plot noch einmal grundlegend geändert im ersten Akt. Da ist viel Detailarbeit dabei, die ich in einigen Punkten auch einfach auf die Überarbeitung schieben könnte. Zu einem guten Teil kann und tu ich das, aber manche Dinge fuchsen mich einfach so, dass ich irgendwann dem Drang doch nachgebe und alles neu schreibe.

    Wie kreiert man einen guten Anfang?
    Das ist natürlich nicht so einfach zu beantworten und kommt ein Stück weit auch auf das Genre an. Was ich schon in vielen Schreibratgebern gelesen habe, ist die Empfehlung im Verlauf des ersten Kapitels eine existenzielle Frage zu stellen oder ein Rätsel aufzugeben. Zudem bin ich der Meinung, dass in jedem Fall der Protagonist vorgestellt werden sollte und im Falle von Fantasy die wichtigsten Grundpfeiler des Settings. Kein komplettes Abbild mit umfassender Vorgeschichte usw. sondern ein erster Eindruck. Ein Eindruck, der im Gedächtnis bleibt und auf irgendeine Art Sympathie Interesse weckt - ein Save the Cat Moment im Falle des Prota (also ein Moment, in dem Prota etwas sympathisches tut, wie zum Beispiel eine niedliche Katze retten, selbst wenn er sonst eher unsympathisch ist). Dann sollte bereits etwas passieren, dass Prota aus seinem Alltag reißt. Wir haben das Buch schließlich nicht gekauft oder geschrieben, um die Alltagsgeschichte von Max Mustermann zu lesen. Das ist langweilig. Dieses Brechen des Alltags erzeugt einen Bruch in der zuvor angedeuteten Harmonie (selbst wenn der Alltag des Protas bis dahin eher unterwältigend ist, aber immerhin folgt er seinem eigenen Rhythmus und Harmonie) und das wiederum erzeugt Spannung.
    Ich bin kein Fan von Actioneinstiegen, also wenn es direkt hart auf hart kommt und wild um sich geschossen wird, noch bevor ich weiß, für wen ich eigentlich sein soll. In der Regel bin ich dann einfach für niemanden und dann ist es mir auch herzlich egal, wer die Schießerei überlebt.
    Was ich noch sehr gerne versuche hinzukriegen: Anfang und Ende opponierend zueinander zu gestalten. Wenn sich am Ende der Geschichte der Prota mit seiner Familie versöhnt, würde ich versuchen am Anfang einen Moment zu kreieren, in dem Mann die schwierige Beziehung des Protas zu seiner Familie zu zeigen z.B.

    Was ich tatsächlich nicht mag, sind Prologe zumindest in den meisten Fällen. Oft werden mitlerweile Prologe nur noch genutzt, um noch eine Szene aus der Vorgeschichte unterzubringen (in den meisten Fällen unnötig) oder eine möglichst geheimnisvolle, da aus dem Zusammenhang gerissene Szene zu zeigen (erzeugt bei mir keine Spannung, sondern nur ungute Fragezeichen). Ich bin nicht komplett gegen Prologe, aber die meisten Geschichten kommen ohne aus. Daher würde ich eine Geschichte immer erst ohne Prolog schreiben und dann schauen, ob ein Prolog wirklich noch einen Benefit bringt, der es rechtfertigt eine zusätzliche Hürde an den Anfang des Romans zu stellen.

    Kommentar

    • Malou
      Milchtrinker
      • 14.09.2023
      • 17

      #3
      Hmm... Irgendwie bezweifle ich, dass Autoren nicht mehr an ihrem Anfang rumdoktern, wenn sie erstmal "drin" sind. Ich selbst habe nichts öfter umgeschrieben als den Anfang. Vermutlich liegt es gerade daran, dass dieser schneller holprig, langatmig, zu gewollt wirkt. Es gibt so viele Tipps, wie man einen guten Anfang schreibt und so viel Druck, wie wichtig dieser anscheinend ist, dass man da schon ins Schwitzen gerät und verunsichert werden kann. Ich persönlich glaube nicht an das massive Gewicht eines Anfangs. Wenn ich entschieden habe, das Buch zu kaufen, lese ich auch mindestens 50-100 Seiten und packe es nicht sofort weg, weil die ersten 20 Seiten nur so lala sind. Etwas schwieriger wird das natürlich bei Leseproben, da muss es schon genug hergeben.

      Bei mir läuft das so ab: Erstmal drauf losschreiben, irgendwie reinfinden. Dann den Anfang nochmal neu schreiben, wenn ich erstmal 50 Seiten runtergetippt habe. Und nochmal und nochmal, lol. Ich plotte nur grob im Voraus, nach dem Schreiben des ersten Akts sehe ich klarer und plotte genauer. Was dazu führen kann, dass ich dann schon sehe, dass ich fast den gesamten ersten Akt nochmal umschreiben muss, inklusive Anfang. Es ist also ein sehr langwieriger Anfangsprozess bei mir. Ich überarbeite nicht erst nach dem ersten Draft, sondern der erste Draft entsteht durchs Überarbeiten. Manchmal mach ich mir auch nur eine Notiz, was an einer Szene geändert werden soll, ohne es dann auszuschreiben, spart Zeit.

      Dann denke ich laaaaaange über das Ende nach. Denn Anfang und Ende sollen bei meinen Romanen zusammenpassen. Das heißt nicht (zwangsläufig), dass ich den Prota nochmal in genau dieselbe Situation bringe wie zu Beginn. Das heißt einfach, dass ich ihm irgendwie einen Spiegel vorhalte, der seine Veränderung zeigt, eben mit der Lessons Learned verbunden. Manchmal bringe ich Zitate aus dem Anfang wieder und drehe sie ein bisschen anders. Wenn meine Prota (grob gesagt) lernen soll, sich anderen zu öffnen, zeige ich sie zu Beginn zugeknöpft und möglicherweise egoistisch, mit ihrer größten Schwäche eben. Und dann denke ich darüber nach, wie ich die Darstellung ihrer größten Schwäche mit einer Szene verbinden kann, die die Story auch reinbringt, etwas Worldbuilding zeigt und die ihr etwas bedeutet oder die ganz charakeristisch für sie ist. Das alles hängt dann ganz vom Charakter und der Story ab, welche Szene ich schlussendlich wähle.

      Prologe find ich okay. Müssen Sinn machen. Einen zu actionreichen Einstieg mag ich meistens ebenfalls nicht, aber auch das kommt a) aufs Genre an und b) darauf, was wirklich dahintersteckt. Wenn die Action nur Effekthascherei ist, ist's blöd, oft spürt man das.

      Ansonsten kann ich ganz "normale" Anfänge gut ab, aber ich mag das Ungewöhnliche. Wenn der erste Satz mich schon unerwartet trifft, es innerhalb der ersten Seiten schon einen seltsamen Konflikt oder abstrusen Kontrast gibt, ja auch visuelle Elemente mag ich. Es soll nur nicht an den Haaren herbeigezogen wirken.

      Kommentar

      • Yamuri
        Kaffeejunkie
        • 04.09.2023
        • 373

        #4
        Für mich ist tatsächlich das Ende schwieriger, als der Anfang. Den Anfang finde ich schneller, das Ende wird bei mir entweder dahingerusht oder es zieht sich ohne Ende. Ich habe damit ganz große Schwierigkeiten. Oft ist das Ende unglaublich zäh und ich kriege es ällt mir schwer es rund zu machen, ohne, dass es überhastet und schnell schnell dahingefetzt wirkt auf mich. Ich bin dann froh, wenn die Betaleser es nicht so empfinden, aber auf mich wirken meine Enden oft hingeklatscht, so als hätte ich keine Lust mehr gehabt oder keine Ideen gehabt und es daher einfach schnell schnell fertig gemacht. Ich bin oft sehr unzufrieden mit dem Ende, wie gesagt. Mit dem Anfang hab' ich das Problem nicht. Wenn der erste Satz mal gefunden ist, geht es mit dem Schreiben.

        Ich habe meist nur einen sehr groben Plot, ein paar Plotpoints und dazwischen schreibe ich relativ frei. Liegt ein wenig mit daran, dass meine Figuren sowieso machen, was sie wollen und es mich dann frustet, wenn ich viel Zeit in die Planung stecke, nur damit meine Figuren alles über den Haufen werfen. Ich würde aber gern besser plotten können und mich auch besser daran halten können, weil ich glaube, das würde meinen Schreibprozess effizienter gestalten. Bisher habe ich zeitweise ganze Manuskripte komplett neu geschrieben und das empfinde ich als ziemlich ineffizient. Daran will ich auf jeden Fall noch arbeiten. Dank Araluen habe ich, was das Plotten anbelangt aber schon sehr viele tolle Anregungen bekommen. ^​

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        • Niam
          Redakteur
          • 05.09.2023
          • 86

          #5
          Es ist immer wieder total spannend, einen kleine Einblick in eure Arbeitsweise zu bekommen.
          Vielen Dank, für eure Zeit und Mühe eure Erfahrungen und Herangehensweisen an die Besucher des Schreibcafés weiterzugeben.

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          • Yamuri
            Yamuri kommentierte
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            Ich finde deine Fragen und Beiträge hier echt toll. Vielen Dank dafür.
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