Beste Freundin, liebste Feindin, echte Kumpel – Unverzichtbare Nebenfiguren

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  • Niam
    Redakteur
    • 05.09.2023
    • 81

    Beste Freundin, liebste Feindin, echte Kumpel – Unverzichtbare Nebenfiguren

    Nebenfiguren sind für mich ein sehr wichtiger Bestandteil einer Geschichte. Sie beleben die Szenen, bringen die Story voran, lassen den Helden heroischer/klüger/gewitzter und manchmal auch einfach sympathischer wirken oder helfen auch dabei, den Bösewicht besser zu charakterisieren oder seine Handlungen besser zu verstehen. Nebenfiguren sind unverzichtbar um die Protagonisten oder Antagonisten besser oder intensiver zu zeigen und dabei die Geschichte mit am Laufen zu halten, zu beschleunigen oder zu verlangsamen.

    Gut ausgearbeitete Nebenfiguren sind grandios und heben den Spaß an einer Story beträchtlich – allerdings könnte es bei einer sorgfältig gestalteten, sehr sympathischen Nebenfigur durchaus auch einmal passieren, dass sie der Hauptfigur ungewollt „den Rang abläuft“ und nach und nach die Führungsrolle übernimmt, während der Hauptcharakter unmerklich immer weiter abgedrängt wird.

    Abgesehen von den „Statisten“ - wie z. B. dem Bettler um die Ecke, den Mann mit dem Hund, die alte Frau, die im Park Vögel füttert - welche die Szene bevölkern und die man ganz nebenbei im Vorbeilaufen registriert, den nur sporadisch auftauchenden "Randfiguren" und den - eher weniger gerne gesehenen - teilweise als „Witwen und Waisen“ bezeichneten
    nur einmalig im Buch vorkommenden Figuren, spielen Nebenfiguren oftmals sehr wichtige Rollen in Romanen nahezu jedes Genres.

    Welche Erfahrungen habt ihr als Leser oder Autoren mit Nebenfiguren gemacht?
    Wie viele Nebenfiguren sollte/darf eine Geschichte eurer Meinung nach haben, damit sie durch sie aufgewertet, aber nicht übervölkert wird.
    Ist es wichtig, dass sie sich mit den Hauptfiguren mitentwickeln? Und wenn ja – wie sehr?
    Und was tun, wenn die charismatische Nebenfigur im Lauf der Geschichte sympathischer und charismatischer „rüber kommt“ als erwartet und nach und nach in ungewollter Art und Weise kurzerhand die Führungsrolle in der Story übernimmt.

    Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Autor durchaus einige Lieblingsfiguren hat, die ihm besonders ans Herz gewachsen sind. Was aber wenn diese Figuren weder die Helden noch deren Gegenspieler sind, sondern eher „unbedeutende“ Figuren, die sich nach und nach von einer Nebenfigur zu einem potentiellen Prota- oder Antagonisten weiterentwickeln?
    Gelingt es bei der Originalversion zu bleiben, oder ist schon einmal die Entscheidung zum Umschreiben der Geschichte zugunsten der Lieblingsnebenfigur gefallen?
    Oder wird dann als "Kompromiss aus einer geplanten abgeschlossenen Story ein Mehrteiler?


    Aber ob Protagonisten oder Nebenfiguren & Co. Wie arbeitet ihr selbst wenn ihr eure Charaktere erstellt? Worauf achtet man dabei als Autor besonders?
    Auf lebende Vorbilder? Oder sind Bücher/Filmcharakter manchmal so beeindruckend, dass man sie als „Rohform“ nimmt?
    Verwendet ihr einen Charakterbogen oder wird bis auf einige Stichwörter einfach "frei von der Leber weg" geschrieben?
    Wenn Herr oder Frau Wer-auch-immer für die Story eine Krankheitsgeschichte, körperliche oder psychische Probleme bzw. Beeinträchtigungen mitbringt, wie genau recherchiert ihr da?
    Habt ihr von euren Charakteren gleich ein Bild im Kopf und sucht ihr euch Reverenz-Bilder?
    Zeichnet ihr eure Figuren selbst oder nutzt ihr die moderne Technik um euren Charakter zu erstellen?

    Charaktere sind für mich immer ein besonders spanndes
    Thema, vor allem, wenn sie so vielschichtig gestaltet sind, dass sie sich nicht in Schubladen pressen lassen. Darum ist für mich die Gestaltung der unterschiedlichen Figuren - egal ob im Buch, im Film oder in Videospielen- immer eine sehr interessante und lehrreiche Sache.
    Ich bin echt gespannt, wie unterschiedlich oder vielleicht auch ähnlich die Charaktergestaltung bei euch aus der Sicht der "Schreiberlinge"
    oder die Figurenbetrachtung als Leser abläuft.

    Zuletzt geändert von Niam; 07.02.2024, 11:31.
  • Araluen
    Moderator
    • 04.09.2023
    • 226

    #2
    Ich gehöre zu den Leuten, denen meist die Nebenfiguren im Gedächtnis bleiben. Bei mir sind es selten die Protagonisten, die mich fesseln. Das liegt vermutlich daran, dass ich früher viel Quest- und Chosen-One-Fantasy gelesen habe (schön episch mit Prophezeiung, Weltuntergang und allem, was dazu gehört). An beiden Typen gibt es nichts auszusetzen. Ich mag diese Art Fantasy immernoch. Nur meist ist der Chosen-One zumindest für mich kein spannender Charakter, sondern mehr ein Soldat, der mehr oder weniger willig seiner Agenda folgt. Daher hat es mich immer mehr zu Nebenfiguren gezogen. Die haben mehr Freiheiten.

    Wie erstelle ich meine Figuren?
    Protagonisten: Meist habe ich zuerst die Plotidee im Kopf, das Szenario. Dann überlege ich, welche Eigenschaften die Hauptfigur braucht, damit die Geschichte funktioniert. Wenn das abgesteckt ist, läuft mir der Protagonist zu. Meist ist da erst ein Name, dann erzählt sie mir einen Schwank aus ihrer Jugend. Obwohl ich Rollenspieler bin, fülle ich keine Charakterbögen aus. Ich kann mit den Dingern einfach nichts anfangen. Figuren kreiere ich über ihre Vorgeschichte. Die Vorgeschichte erzählt mir, welche Eigenschaften die Figur zur Zeit der Handlung hat. Äußerlichkeiten spielen für mich eine sehr untergeordnete Rolle. Meist weiß ich kaum, welche Augen- oder Haarfarbe die Figuren haben oder welchen Kleidungsstil sie mögen, außer es ist auf irgendeiner Ebene plotrelevant. Es interessiert mich nicht und Leser machen sich eh ein eigenes Bild. Ich arbeite keine Checklisten in Sachen Stärken und Schwächen ab. Eine lebendige Figur entwickelt automatisch Schwächen, die sich in der Vorgeschichte bereits manifestieren. Die Vorgeschichte ist in der Regel nur für mich. Kann gut sein, dass das ein oder andere mal in der laufenden Geschichte erwähnt wird, aber die Vorgeschichte wird im Roman nie ausgewalzt. Ansonsten steht vor allem die Entwicklung der Figur im Vordergrund. Wo steht sie am Anfang und steht sie am Ende? Was muss passieren, damit sie dieses Ende erreicht? Parallel dazu entwickelt sich der Antagonist. Was tut dieser, um den Protagonisten an seiner Entwicklung zu hindern oder sie auch zu pushen. Denn es sind ja die Ereignisse ausgelöst durch den Antagonisten, welche den Protagonisten aus seinen Alltag reißen und zur Entwicklung zwingen.

    Nebenfiguren: Plane ich meist nicht konkret. Auch sie laufen mir zu, während ich plotte. Manchmal erzählt mir auch der Protagonist, dass es da noch Menschen gibt, die ihm wichtig sind und ohne die er die Geschichte nicht angehen wird. Auch Nebenfiguren bekommen eine ausführliche Vorgeschichte. Auch Nebenfiguren haben bei mir eine Agenda und machen eine Veränderung durch, jedoch halte ich diese Entwicklung nicht in konkreten Plotpunkten fest. Beim Protagonisten stecke ich genau ab, wann er was lernt, welchen Rückschlag er wann einstecken muss usw - Plotpunkte eben. Bei Nebenfiguren mache ich das nicht. Denn Nebenfiguren laufen mit, steuern die Geschichte aber nicht. Die Entwicklung muss natürlich Sinn ergeben. Es gibt aber keine genau definierten Schlüsselmomente.
    Am stärksten habe ich das bei meinem Nibelungen Projekt gemacht. Dort haben wir die Protagonistin und ihre Clique. Die Protagonistin befindet sich in der Geschichte auf der Suche nach ihren Wurzeln, entdeckt magische Kräfte, rettet ihre Mutter, verliebt sich mehrfach, söhnt sich mit ihrer Oma aus und findet am Ende ihren Platz im Leben. Das ist alles genau in Plotpunkten abgesteckt. Aber auch die Nebenfiguren, ihre Freunde, haben ihre Agenda und auch die Helfer des Antagonisten.
    Patrick z.b. ist der Sunnyboy der Schule stets auf der Suche nach der perfekten Freundin, immer bedacht den schönen Schein zu wahren und perfekt zu wirken. Am Ende steht er zu sich selbst und traut sich endlich seinen Mitschüler Pablo um ein Date zu fragen. Diese Entwicklung ist nicht in Plotpunkten abgesteckt, wird sich aber im Verlauf der Geschichte hoffentlich natürlich ergeben.
    Der Faun Fynn hingegen bekommt einen Redemption Arc und ist am Anfang der willige Helfershelfer des Antagonisten, bekommt aber von einer anderen Nebenfigur den Spiegel vorgehalten und stellt sich daraufhin seiner Angst, die ihn zum Antagonisten getrieben hat, und gegen den Antagonisten.
    Bei Nebenfiguren kann es lustigerweise durchaus vorkommen, dass sie optisch oder auch von der Art des Charakters Film- oder Serienfiguren entlehnt sind.

    Statisten und Randfiguren: Die laufen mir zu, wenn ich sie brauche und entsprechen sehr oft gängigen Klischees, einfach weil es Zeit/Wörter spart. Ich muss nicht viel Zeit darauf verwenden die Figur einzuführen und zu beschreiben. Der Leser hat dank des Klischees direkt ein Bild vor Augen. Eine Entwicklung brauchen Statisten und Randfiguren bei mir nicht. Aber sie haben ein Leben und sind keine Quest-NPC, die an ihrem Questpunkt warten, bis der Held vorbeikommt, um ihm genau die eine Information zu geben. Sie kommen also nicht einfach in die Szene, tun, was sie strategisch zu tun haben und gehen wieder. Ich weiß grob, was sie außerhalb ihres Auftritts tun und sorge dafür, dass jede Figur nach Möglichkeit kein Waise ist sondern wenigstens zwei Auftritte hat. Sonst merkt ja auch keiner, dass ich der Figur ein Leben gebe Außerdem hält es das Personal klein, wenn Figuren wiederverwertet werden.
    So hat auch meine Hauswirtin in meinem aktuellen Projekt ein Leben, von dem man immer wieder einmal was mitkriegt. Sie trifft ihre Freundinnen zum Tee (ohne, dass es relevant für den Plot ist). Später wird sie Tante (was auch keine Auswirkung auf den Plot hat). Ich lasse auch eine Prostituierte auftreten. Sie hat drei Kinder, eines ist krank und wird im Verlauf sterben, weil sie nicht das Geld für die Medikamente hat (Setting spätes 19. Jhd.). Absolut nicht plotrelevant, aber es belebt in meinen Augen die Welt.

    Hat sich bei mir schon einmal eine Nebenfigur zum Protagonisten weiterentwickelt?
    Einmal, ja. Das war eine Figur, die mir im NaNo zugewichtelt wurde und schon während des NaNos merkte ich, dass es genau diese Figur war, die der Geschichte noch gefehlt hatte - ein guter Gegenpool zum Antihelden Prota. Der Protagonist wurde also nicht abgelöst, sondern ein zweiter hinzugefügt.
    In meinem aktuellen Projekt hatte ich den Protagonisten tatsächlich gewechselt, was aber eine rein strategische Entscheidung war und nichts damit zu tun hatte, dass mir die Nebenfigur mehr ans Herz gewachsen war. Ursprünglich hatte ich die Geschichte angefangen, um einem Rollenspielcharakter ein Zuhause zu geben. Das Problem: Der Charakter war ein Kind, der Plot richtet sich aber an Erwachsene und irgendwann wurde mir endlich klar, dass es viel mehr Sinn macht, den Sidekick zum Protagonisten zu machen, weil der Plot irgendwie von Anfang an ohnehin seine Geschichte war, wenn auch sehr eng mit der meines Rollenspielcharakters verwoben.

    Wenn Herr oder Frau Wer-auch-immer für die Story eine Krankheitsgeschichte, körperliche oder psychische Probleme bzw. Beeinträchtigungen mitbringt, wie genau recherchiert ihr da?
    In meinem aktuellen Projekt habe ich tatsächlich einmal intensiv recherchiert. Die Geschichte spielt in England des späten 19. Jhd. und ich kam auf die Idee aus einer Nebenfigur eine Inderin zu machen, die in den englischen Adel eingeheiratet hatte. In früheren Versionen war sie Engländerin gewesen, aber aus ihr eine Inderin zu machen, war nicht nur ein Punkt auf der Diversitäts-Checkliste, sondern gab der Figur mehr Fundament. Nun kenne ich die Klischee-Darstellungen von Inderinnen in diesem Setting und wollte mich dem eigentlich nicht anschließen. Glücklicherweise ist der Ehemann meiner besten Freundin Inder. Also quetschte ich ihn aus. Wie würde sich eine traditionell erzogene Inderin in ihrer Situation verhalten? Welcher Herkunft wäre sie vermutlich? Wie wahrscheinlich ist diese Verbindung zwischen ihr und einem englischen Baron usw.
    Ich bemühe mich immer um Glaubwürdigkeit, aber es muss für mich nicht absolut wahrheitsgetreu sein. Gerade Erfahrungen in Sachen Krankheit, Probleme aller Art und andere Beeinträchtigungen sind ja auch sehr subjektiv. Frag drei Leute und du hast fünf Meinungen. Daher bemühe ich mich nicht die eine Wahrheit zu finden, sondern einfach nicht in Fettnäpfchen zu treten, die schon beim ersten Blick für Fremdschämen in der Gruppe sorgen.

    Habe ich Bilder von meinen Charakteren oder eine Playlist?
    Nein, mit so etwas arbeite ich nicht.

    Kommentar

    • Niam
      Redakteur
      • 05.09.2023
      • 81

      #3
      Vielen Dank, dass du deine Erfahrungen mit uns teilst und einen Blick über deine Schulter zulässt, liebe Araluen!

      Es ist immer wieder großartig und sehr spannend, finde ich, wenn Praktiker "vom Fach" einen kleinen Einblick in ihre Arbeitsweise erlauben.
      Ich denke, dass viele angehende Schreiberlinge durchaus gerne Fachbücher zu Rate ziehen, allerdings kann das nie die Erfahrung der aktiven Autoren ersetzen. Viele Wortzauberer gehen oftmals sehr unterschiedlich an die gleiche Sache heran, daher finde ich es immer besonders genial wenn sich die Gelegenheit ergibt, unterschiedliche Arbeitsansätze, Methoden und auch gemachte Erfahrungen kennenzulernen.

      Kommentar

      • Yamuri
        Kaffeejunkie
        • 04.09.2023
        • 337

        #4
        Ich habe eine besondere Vorgehensweise - weil ich genau genommen meine Figuren nicht erschaffe. Sie kommen zu mir und stellen sich mir vor. Meist geschieht das in Form von Szenen oder Bildern, die ich von verschiedenen Schauspieler:innen sehe. Es können aber auch gezeichnete Bilder von Personen sein oder Menschen, die mir irgendwo begegnen. Etwas an ihnen löst sich und stellt sich mir als Figur vor. Manchmal benötige ich dazu vorher auch eine Fanfiction. Bei verschiedenen Projekten, an denen ich arbeite, hatte ich zuerst eine Fanfiction zu einem bestehenden Werk begonnen oder geschrieben. Während des Schreibens zeigte sich dann aber, dass die Geschichte kaum mehr etwas mit dem Original zu tun hatte und die Figuren eine Eigeninterpretation von mir wurden. Sobald ich die Fanfiction begann umzuschreiben, löste sich die Hülle der Figur und es kam eine ganz andere Figur zum Vorschein. Bei Bildern ist es die Emotion, die das Portrait auf mich überträgt aus dem eine Geschichte entsteht. Manchmal sehe ich auch Menschen, von denen ich Aspekte auffange, die dann der Keim zu einer Figur werden. Ist sehr unterschiedlich. Aber es fühlt sich für mich mehr wie eine Eingebung von Außen an, etwas, das zu mir kommt und sich mir offenbart und dann einfach da ist. Jemand fragte mich mal, ob ich meine Geschichten channele. Das habe ich verneint. Doch wenn ich mich mit dem Phänomen des Channelns genauer befasse, denke ich mir - das was ich tue ist dem tatsächlich ähnlich. Vielleicht ist es eine Form von channeln.

        Kommentar

        • Aidan
          Moderator
          • 03.09.2023
          • 249

          #5
          Spannendes Thema und spannende Antworten. ...

          Mir geht es nicht so ganz unähnlich wie Yamuri, ich erschaffe weder die Figur, noch wirklich die Geschichte oder Welt. Ich entdecke sie. Und im besten Fall schreibe ich sie auf. Ich nutze allerdings so gut wie keine Vorbilder, die mir begegnen. Wobei ich gerade an eine Begegnung denken muss, wo mir eine junge Frau begegnete, die exakt so aussah, als wäre sie einem Computerspiel entsprungen. Die sah nicht wie ein lebendiger Mensch aus, sondern gerendert. Klar, dass mein kreatives Autorenhirn sofort anfing zu arbeiten.

          Welche Erfahrungen habt ihr als Leser oder Autoren mit Nebenfiguren gemacht?
          Gemischt. Ich liebe Nebenfiguren. Sie sind für mich wie die Gewürze im Essen. Nudeln pur sind nicht der Hit. Aber ich merke, dass sie für mich teilweise mehr als nur "neben"Figuren sind. Sie unterstützten die Protagonisten, dienen als Spiegelfläche, bringen Leben in die Bude. Also, klar gibt es die echten Nebenfiguren, die am Rand mitlaufen, aber für mich gibt es auch die "Hauptfiguren ohne Perspektive". Wobei es da sehr auf das Projekt ankommt. Im Geheimnis tragen sie einen ganz wichtigen Teil zu der Geschichte bei. Wäre spannend damit zu experimentieren, eine Geschichte mit nur einer Hauptfigur zu schreiben, ohne andere Figuren. Ob das klappen würde?

          Eine gelungene Nebenfigur ist immer noch Protagonist ihrer eigenen Story, auch wenn diese gerade nicht primär erzählt wird. Würde ich mal so spontan sagen.

          Wie viele Nebenfiguren sollte/darf eine Geschichte eurer Meinung nach haben, damit sie durch sie aufgewertet, aber nicht übervölkert wird.
          Kommt auf die Geschichte darauf an. Beim Leilarim waren die vier "Nebenfiguren" mehr als ausreichend. Es hätte keine fehlen dürfen, aber ich musste gucken, dass ich allen gerecht werde. Ich hoffe sehr, dass es mir gelungen ist. Der Leilarim ist ein Einzelbuch. Beim Geheimnis habe ich einen Cast von sieben Hauptnebenfiguren neben den zwei Protagonisten und einen Haufen mehr oder minder wichtiger Nebenfiguren. Und da fühlt sich das passend an, da ich mit den 8 Bänden für alle reichlich Raum zur Entfaltung habe, sie zur Zeit noch nicht alle auf einmal auftauchen. Wie das wird, wenn die gesammelte Mannschaft unterwegs ist? Das werde ich dann sehen. Es muss einfach zum Umfang der Geschichte und zu ihrer Komplexität passen. Wobei ich mich da führen lasse, ich plane das nur sehr, sehr begrenzt.

          Ist es wichtig, dass sie sich mit den Hauptfiguren mitentwickeln? Und wenn ja – wie sehr?
          Kommt mal wieder drauf an, was für eine Geschichte. Generell finde ich: ja. Gibt aber auch Geschichten, bei denen steht die Figur und ihre Entwicklung nicht so im Vordergrund. (Bei mir eher nicht der Fall, ich habe sehr figurenzentrierte Geschichten. Und da gehört eine gewisse Entwicklung auch für die Nebenfiguren, die mehr als nur Randfiguren sind, schon dazu. Umso größer die Rolle, umso mehr.)

          Und was tun, wenn die charismatische Nebenfigur im Lauf der Geschichte sympathischer und charismatischer „rüber kommt“ als erwartet und nach und nach in ungewollter Art und Weise kurzerhand die Führungsrolle in der Story übernimmt.

          ​Ist mir in dem Maß noch nicht passiert, im Leilarim andeutungsweise. Aber er hat sich letztlich dennoch eingefügt. (Ich hoffe, meine Betas sehen das genauso.) Wenn das zu stark werden würde, würde ich darüber nachdenken, ob ich die richtige Perspektive gewählt habe, oder noch eine weitere einfügen sollte.

          Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Autor durchaus einige Lieblingsfiguren hat, die ihm besonders ans Herz gewachsen sind. Was aber wenn diese Figuren weder die Helden noch deren Gegenspieler sind, sondern eher „unbedeutende“ Figuren, die sich nach und nach von einer Nebenfigur zu einem potentiellen Prota- oder Antagonisten weiterentwickeln?
          Gelingt es bei der Originalversion zu bleiben, oder ist schon einmal die Entscheidung zum Umschreiben der Geschichte zugunsten der Lieblingsnebenfigur gefallen?
          Oder wird dann als "Kompromiss aus einer geplanten abgeschlossenen Story ein Mehrteiler?
          ​​
          Entweder hat die Figur eine größere Rolle verdient, oder eine eigene Story. Oder darf kurzerhand einen Gastauftritt in einem anderen Projekt bekommen, das auf dem gleichen Planeten spielt. Ich habe, als ich Rollenspielleiter war, häufiger Figuren gehabt, deren Geschichte mich so fasziniert hat, dass ich dachte, sollte ich jemals die Geschichten zu der Welt aufschreiben, dann würde diese Figur ihre eigene Geschichte erzählen dürfen. Bisher habe ich noch kein Projekt deswegen umgeschmissen, aber unter Umständen die Gewichtung der "Nebenfiguren" angepasst.

          Aber ob Protagonisten oder Nebenfiguren & Co. Wie arbeitet ihr selbst wenn ihr eure Charaktere erstellt? Worauf achtet man dabei als Autor besonders?
          Auf lebende Vorbilder? Oder sind Bücher/Filmcharakter manchmal so beeindruckend, dass man sie als „Rohform“ nimmt?

          Meist laufen sie mir zu. Ich konstruiere meine Figuren nicht. Häufig fängt eine Geschichte bei mir mit der oder den Figuren an, bzw. eine Szene, die in meinem Kopfkino abläuft, in der ich eine Figur agieren sehe und dann ist sie da. Sehr, sehr selten fängt eine Geschichte mit einem Titel an. Und wenn sich eine Figur vorstellt, dann beobachte ich sie erstmal. Oder lasse sie von sich erzählen. Für das Geheimnis habe ich eine "Stellenauschreibung" gemacht. Die Protas waren da, die Grundidee auch, und für mich untypisch habe ich mir vorher gedacht, was ich wohl brauchen könnte. Die Figuren, die dann kamen, haben mich dennoch überrascht und der Cast wurde sehr bunt und eigenwillig. Was aber auch passt und so sein muss. Was ich wohl zum Teil anpasse, sind kleinere kosmetische Dinge. Beim Leilarim gibt es zwei optische Haupttypologien, die sich natürlich teilweise vermischt haben, aber es gibt auch die "reinen" Stammlinien - die dunkle der ursprünglichen Bewohner, und die helle der Seefahrer, die vor 500 Jahren ankamen. Und da ist es bei einigen Figuren wichtig, wer oder was sie sind. Und da gab es bei der ein oder anderen Randfigur bewusste Anpassungen.

          Also, wie arbeite ich? Ich begegne der Figur, lerne sie kennen. Höre ihr zu. Lass sie mit anderen Figuren zusammen treffen und lausche den Dialogen. Lasse mir von ihren Wünschen und Träumen erzählen, oder aber von der Situation, in der sie gerade stecken. Inspirationen - keine Ahnung, woher sie kommen. Es gibt manchmal Bilder, ja, oder aber ich sehe mit meinem Fotokamerablick die Landschaft an und erkenne in Baumwurzeln, Steinen, keine Ahnung was ein Bild oder eine Landschaft und der Film beginnt. Oder ich träume einfach. Reale Vorbilder habe ich nie bewusst. Filme schaue ich sowieso nur extrem selten. Inspiration ist überall. Und dann können schon mal Mücken zu Protagonisten werden oder aber zwei unterschiedliche Zentauren, die mir plötzlich durchs innere Bild traben und Chaos verursachen. Oder ich schreibe, denke noch so, ich bräuchte jetzt... oh, da kommt wer. Passt. Planen tue ich sie so gut wie nie.

          Verwendet ihr einen Charakterbogen oder wird bis auf einige Stichwörter einfach "frei von der Leber weg" geschrieben?
          Sämtliche Versuche für Charakterbögen endeten kurz nach Erstellung der abzufragenden Punkte und dreieinhalb mehr oder minder halbherzigen Einträgen. Teilweise gibt es nicht mal Stichworte,

          Wenn Herr oder Frau Wer-auch-immer für die Story eine Krankheitsgeschichte, körperliche oder psychische Probleme bzw. Beeinträchtigungen mitbringt, wie genau recherchiert ihr da?
          Kommt drauf an. Es gibt Figuren, deren Geschichte ich allerdings noch nicht geschrieben habe, da habe ich im Vorfeld schon recherchiert. Aber als Arztkind, Physiotherapeut und jemand, der seit ich mit ca. 8 die Karte ins Paradies hatte (= Bücherei) mehr über Psychologie und co. gelesen hat als Romane, habe ich da eh eine gewisse Vorbelastung.

          Habt ihr von euren Charakteren gleich ein Bild im Kopf und sucht ihr euch Reverenz-Bilder?
          Früher habe ich mir keine Bilder gesucht, aber ich habe sehr viele Bilder im Kopf, teilweise von Anfang an, teilweise entwickeln sie sich erst mit dem Schreiben.

          Zeichnet ihr eure Figuren selbst oder nutzt ihr die moderne Technik um euren Charakter zu erstellen?
          Ich würde sie so, so gerne selbst zeichnen können. Das werde ich wohl in diesem Leben nicht mehr lernen. Ich habe jetzt erste Minischritte Richtung KI gemacht, aber die Ergebnisse mit Artbreeder waren ganz nett für eine eigene Idee, passen aber nicht. Aber sie haben mir trotzdem schöne Inspirationen gegeben.
          Midjourney ist der nächste Schritt, den ich versuchen möchte. Ich hätte sehr gerne Bilder von meinen Figuren. Oder der Szenenbilder, die ich im Kopf habe. Das ist für mich ein wunder Punkt und etwas, was ich mir selbst noch verziehen darf, dass ich mit dem Zeichnen an einem nicht sehr schönen Tag mit 18 aufgehört habe.

          Für meine Geschichten gilt: die Geschichte folgt der Figurenlogik, nicht umgekehrt.

          Kommentar

          • Malou
            Milchtrinker
            • 14.09.2023
            • 17

            #6
            Sehr spannende Fragen Niam

            Welche Erfahrungen habt ihr als Leser und Autoren mit Nebenfiguren gemacht?
            Viele sehr gute. In so einigen Fällen kam es tatsächlich vor, dass ich eine der Nebenfiguren lieber mochte als den Hauptcharakter. Ob das aber nun wirklich schlimm ist... Ich denke, es ist in Ordnung, solange der Hauptcharakter weiterhin interessant genug ist. Wie soll man das auch kontrollieren? Der eine liebt halt einen grumpy Hauptcharakter mit seinen trockenen und zugeknöpften Sprüchen, der andere gibt einem solchen Hauptcharaktere nur eine 6/10 und findet den drolligen Nebencharakter mit seinen permanenten Witzchen viel liebenswürdiger. Wer was lieber mag, ist personenabhängig und so wird man es meiner Meinung nach nie schaffen, eine universale Regel dafür zu erschaffen, was man tun kann, damit der Hauptcharakter immer der Charakter bleibt, der von allen am meisten gemocht wird.

            Das soll nun aber nicht heißen, dann man es dann gleich vergessen kann und sich keine Gedanken drum machen sollte. Es gibt durchaus "objektivere" Indikatoren, die aufzeigen, warum ein Hauptcharakter gegenüber anderen Charakteren abstinkt. Ich hatte das Problem bei meiner Chakra-Saga, dass ich plötzlich selbst viel verliebter in einige meiner Nebencharaktere war als in meine Prota. Ich habe wochenlang darüber gebrütet, wie es denn jetzt auf einmal dazu kommen konnte. Ein Fazit: Die Motivationen und Hintergrundgeschichten meiner Nebencharaktere waren weitaus interessanter, viel komplexer und tiefer als die der Prota. Diese Nebencharaktere waren zum Teil zerrissen und ich hatte ihnen so viele Emotionen und Leben eingehaucht, so viel Wandelmöglichkeit und so viel Biografie, dass sie gar nicht anders konnten, als meine Prota zu überflügeln. Nachdem ich das erkannt hatte, habe ich beschlossen, meine Prota neu aufzuziehen. Ein paar der Grundelemente behalte ich, aber Vieles werde ich neu denken und ich werde viel tiefer reingehen. Ich vermute, dass ich bei den Nebencharakteren weniger Scheu hatte, in die dunklen Seiten ihrer Seele vorzudringen, weil es ja "nur" ein Nebencharakter war und ich das Gefühl hatte, experimentieren zu können. Bei der Prota... Oje, was, wenn ich sie zu düster, zu zerrissen, zu was-auch-immer mache? Die Leser sollen sie doch mögen! Tja, da hatte ich mir wohl selbst ins Fleisch geschnitten. Gott sei Dank habe ich es selbst gespürt, dass da irgendwas krumm läuft.

            Als Letztes möchte ich ergänzen, dass vor allem die wichtigen Nebenfiguren etwas mit dem Thema des Romans zu tun haben sollten. Sie können ganz unterschiedliche Perspektiven darauf werfen und das Thema des Romans so vertiefen. In meiner Legacy-of-Ghosts-Reihe geht es - oh Wunder - viel um Erbe. Meine Prota kämpft darum, ihr Erbe loszuwerden und ihr eigenes Schicksal zu spinnen. Der Love Interest meiner Prota hingegen braucht genau das Umgekehrte: Er muss lernen, sein Erbe anzunehmen. Eigentlich wollte er sein ganzes Leben lang nichts anderes, aber das Erbe hatte immer seiner Schwester "gehört", die es dann ganz kurzfristig durch einen unglücklichen Umstand doch nicht annehmen konnte. Der Love Interest nimmt das Erbe zwar in der Theorie an, aber er entfesselt seine Kräfte nicht vollends und blockiert sich innerlich selbst, weil er ein schlechtes Gewissen gegenüber seiner Schwester hat. Schließlich liebt er sie, und es wird dadurch schlimmer, dass er innerlich insgeheim froh ist, dass er das Erbe nun doch bekommen hat. Ein weiteres Beispiel ist, dass im zweiten Band eine alte Geistdame hinzukommt, die ihr Erbe schon vor Jahrzehnten an ihre Enkelin abgegeben hat - und die nun damit klarkommen muss, dass sie einen Fehler gemacht hat. Sie wollte nie Totenwächterin sein und war froh, als sie es endlich abgeben konnte. Sie hat die Zeichen ignoriert, dass ihre Enkelin für dieses heilige Erbe nicht geeignet war und die in Band 1 ein ganz schönes Unheil angerichtet hat. Sie nimmt das Erbe nun ein zweites Mal an, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden wurde. Hoffentlich konnte ich durch diese drei Beispiele verdeutlichen, was ich damit meine, dass das Thema sich durch einige der Nebencharaktere hindurch spiegeln sollte.

            Wie viele Nebenfiguren sollte/darf eine Geschichte eurer Meinung nach haben, damit sie durch sie aufgewertet, aber nicht übervölkert wird.
            Kommt auf dein Leserpublikum an. Es gibt Romane, da kommt man fast nicht hinterher mit all den Nebencharakteren, die auch noch alle so gut wie gleich heißen. Bei anderen Romanen dachte ich mir schon "Wie jetzt? Haben die alle keine Geschwister, keine Eltern, keine Großeltern, keine Tanten und Onkel?" Da fand ich es dann unrealistisch, dass bei jedem Charakter irgendwie nur 1 weiterer Charakter dabei war, wie die Mutter oder der Bruder. Man sollte hier auch nochmal den Unterschied machen zwischen Nebencharakter und Minor character. Wenn du Reihen schreibst, könnte manche Nebencharaktere auch nur in einem bestimmten Band vorkommen und deren Geschichte darin erzählt werden.

            Ist es wichtig, dass sie sich mit den Hauptfiguren mitentwickeln? Und wenn ja – wie sehr?
            Ja. Nicht alle, aber ein paar. Schon alleine, um zu zeigen, dass die Hauptfigur sich entwickelt. Wenn die Hauptfigur vorher nur Krieg und Blutvergießen wollte und nach Hunderten Seiten mühselig lernte, dass Frieden doch besser wäre, dann bringt es ihr nichts, wenn sie ganz alleine dieser Meinung ist. Sie muss zumindest manche Nebencharaktere ebenfalls davon überzeugen, sonst wird der Krieg doch ausbrechen. Es mag Ausnahmen geben, wo das Umfeld schon genau das spiegelt, was der Prota am Ende werden soll, aber meistens ist es doch so, dass der Prota auf Hindernisse stoßen wird, wenn er seine "Lessons Learned" dann tatsächlich umsetzen will. Es ist auch einfach viel spannender, einen Roman zu lesen, wo nicht nur der Prota sich verändert. Man nehme allein die langsam entstehende Freundschaft zwischen Legolas und Gimli - war das nicht toll mitanzusehen? Beide mussten sich dafür weiterentwickeln, damit das passieren konnte. Gut, man ging nicht tief in die Charaktere rein, aber dennoch.

            Und was tun, wenn die charismatische Nebenfigur im Lauf der Geschichte sympathischer und charismatischer „rüber kommt“ als erwartet und nach und nach in ungewollter Art und Weise kurzerhand die Führungsrolle in der Story übernimmt.
            Definiere "Führungsrolle". Du kannst starke Nebencharaktere haben, aber du hast ein Problem, wenn dein Prota sich nicht mit ihnen messen kann. Ich würde da also eher am Prota arbeiten. Das kann auch durchaus interessant sein und dem Prota eine Entwicklungsmöglichkeit geben. Vielleicht muss der angehende König erst lernen, sich gegen seinen Vater durchzusetzen, um sich des Throns würdig zu erweisen.

            Außerdem: Mir ist das auch schon passiert. In solchen Fällen habe ich dann ernsthaft erwogen, jener Nebenfigur einen POV zu geben, und wenn es nur ein kleiner ist. Natürlich muss es zur Geschichte und dem Thema passen.

            Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Autor durchaus einige Lieblingsfiguren hat, die ihm besonders ans Herz gewachsen sind. Was aber wenn diese Figuren weder die Helden noch deren Gegenspieler sind, sondern eher „unbedeutende“ Figuren, die sich nach und nach von einer Nebenfigur zu einem potentiellen Prota- oder Antagonisten weiterentwickeln?
            Du hast ein paar Möglichkeiten. Du kannst die Geschichte dahingehend verändern, dass diese Figur mehr Platz darin bekommt. Auch das habe ich selbst bereits getan. Ebenfalls würde ich meinen, dass zu Beginn unbedeutend erscheinende Figuren durchaus das Recht haben, sich nach und nach mehr Platz in der Story zu ergattern. Vor allem, wenn man Reihen schreibt. Oder du stutzt diesem Charakter die Flügel, damit er nicht übermächtig wird. Ist zwar schade, aber kann passieren.

            Gelingt es bei der Originalversion zu bleiben, oder ist schon einmal die Entscheidung zum Umschreiben der Geschichte zugunsten der Lieblingsnebenfigur gefallen?
            Da ich sehr figurenbezogen schreibe und eher eine Pantserin bin, schreibe ich tatsächlich eher um, als bei der Originalversion zu bleiben. Wenn allerdings das Grundgerüst meiner Story gefährdet ist, stoppe ich und mache mir ernsthafte Gedanken, ob ich das möchte. Es hatte schließlich seinen Grund, warum ich die Geschichte zu Beginn so schreiben wollte. Dann verabschiede ich mich ggf. von diesem Charakter. Was mir auch schon passiert ist: Ich habe die Grundzüge eines Charakters für eine ganz andere Geschichte aufgehoben.

            Aber ob Protagonisten oder Nebenfiguren & Co. Wie arbeitet ihr selbst wenn ihr eure Charaktere erstellt? Worauf achtet man dabei als Autor besonders? Auf lebende Vorbilder? Oder sind Bücher/Filmcharakter manchmal so beeindruckend, dass man sie als „Rohform“ nimmt? Verwendet ihr einen Charakterbogen oder wird bis auf einige Stichwörter einfach "frei von der Leber weg" geschrieben? Wenn Herr oder Frau Wer-auch-immer für die Story eine Krankheitsgeschichte, körperliche oder psychische Probleme bzw. Beeinträchtigungen mitbringt, wie genau recherchiert ihr da?
            Ich recherchiere immer zumindest ein wenig, egal ob es nun um Beeinträchtigungen geht oder um Tattoos oder um bestimmte Persönlichkeitsmerkmale. Bei Beeinträchtigungen und Krankheiten tendiere ich natürlich zu etwas mehr Recherche.

            Lebende Vorbilder nutze ich recht selten, dasselbe gilt für Buch- und Filmcharaktere. Was ich aber tue, ist mir zu notieren, welche Charaktere ich besonders interessant finde und warum. So fand ich Loki in Staffel 1 ziemlich interessant, weil es mal etwas anderes war, einen antagonist-ähnlichen Charakter in der Hauptrolle zu sehen und zu sehen, wie er sich zu seiner eigenen Art von Held weiterentwickelt.

            Oft lege ich zuerst das Thema meines Romans fest wie "Erbe" oder sowas allgemeines wie "Ich will einen Roman über Drachen schreiben". Dann warte ich manchmal wochenlang, wer sich zeigt. Es ist eher ein Gefühl. Sobald da jemand kommt, versuche ich, ihn oder sie zu greifen. Manchmal gebe ich dem Charakter auch schon sofort ein Merkmal, wie dass es eine Frau sein soll, oder dass sie im Roman Stellung X innehaben wird. Zuerst versuche ich, den Charakter durchs Schreiben zu greifen. Danach nehme ich einen Charakterbogen zur Hand. Ich wechsle immer wieder zwischen Schreiben und Charakterbogen. Der Charakterbogen verändert sich also mit dem Schreiben. Manche Felder bleiben weiß und ich weiß erst nach Hunderten von Seiten, was da reingehört.

            Habt ihr von euren Charakteren gleich ein Bild im Kopf und sucht ihr euch Reverenz-Bilder? Zeichnet ihr eure Figuren selbst oder nutzt ihr die moderne Technik um euren Charakter zu erstellen?
            Ich habe sie grob im Kopf. Grob heißt: Hautfarbe, Haarfarbe, ungefähre Statur, vielleicht ein besonderes Merkmal wie eine Narbe. Punkt. Das war's xD Ein bisschen konkreter wird es mit der Zeit noch, z. B. mit dem Kleidungsstil, aber tatsächlich stelle ich mir meine Charaktere nie sooo genau vor. Es kam sogar schon vor, dass ich eine Prota visuell gar nicht fassen konnte, aber trotzdem wunderbar in der Lage war, Tausende Wörter mit ihr zu schreiben und emotional richtig in die Tiefe zu gehen. Das fand ich besonders spannend. Es war, als ob sie sich noch Zeit lassen wollte damit, wie sie denn nun schlussendlich aussieht und als ob ich mir das erst mühsam erarbeiten müsste.

            Da ich gar nicht zeichnen kann: Nein. Wenn ich es könnte, würde ich sie aber vermutlich versuchen zu zeichnen. Moderne Technik habe ich noch nicht genutzt dafür, eher aus Zeitmangel. Allerdings bin ich bei Charakteren auch nicht sonderlich visuell veranlagt. Ich mag es zum Beispiel in vielen Fällen nicht, wenn ein Charakter auf dem Buchcover ist und man das Gesicht sieht. Daher ist es mir auch nicht so wichtig, sie auszuzeichnen.​
            Zuletzt geändert von Malou; 11.02.2024, 16:06.

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