Unbestechlich, Pflichtgetreu, Rechtschaffen und Gut! - Das Zeug zum Helden?

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  • Niam
    Redakteur
    • 05.09.2023
    • 81

    Unbestechlich, Pflichtgetreu, Rechtschaffen und Gut! - Das Zeug zum Helden?

    Wie viele Ecken und Kanten kann/soll/muss die "gute" Hauptfigur eigentlich haben? Welche Entwicklung darf sie durchmachen und was seht ihr als absolutes „No-Go“ an?

    Protagonist und Antagonist – der immerwährende Kampf zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht, Held und Bösewicht.
    Einem verschlagenen, fiesen, vielleicht aber sehr charismatischen Bösewicht tritt der kampfgestählte und aufrechte Retter/Krieger/Held als Hauptfigur der „guten Seite“ gegenüber. Er trotzt jeder Gefahr, ohne Rücksicht auf sein eigenes Wohlergehen, hilft den Schwachen, bestraft die Bösen und reißt am Ende der Geschichte meistens erschöpft, vielleicht verletzt aber siegreich "das Ruder" herum.


    Gut und Böse liegt ja oft im Auge des Betrachters und auf der Seite der jeweiligen Figur. Da wird wohl jeder Leser einen etwas anderen Maßstab anlegen. Nur „Rechtschaffen und Gut“ könnte allerdings schnell langweilig werden und /oder den Helden im Laufe der Zeit - vor allem - im Namen „des Guten“ zu Taten drängen, die bei näherer Betrachtung vielleicht gar nicht so rechtschaffen sind.

    Wer kennt das nicht? Oft blättert man in ein Buch hinein und nach wenigen Zeilen, nimmt dich die Hauptperson gefangen, zerrt dich in einem Höllentempo durch die Handlung und stößt dich am Ende wieder sehr unsanft in die Realität zurück, sodass du froh bist, das Ganze überlebt zu haben.

    Auf der anderen Seite quält man sich in ein viuelleicht durchaus tolles Buch mit spannender Handlung und interessantem Thema, aber es gelingt als Leser einfach nicht, mit dem Protagonisten warm zu werden -obwohl man nicht genau sagen kann, was eigentlich an der Figur stört.
    Dabei wäre ja alles da… Er/Sie ist ein optisches Vorzeigeobjekt ihres Geschlechtes, mutig, klug, wehrhaft und dabei liebreizend mit frechem Mundwerk und dem Herz am rechten Fleck und trotzdem will der Funke einfach nicht überspringen. Liegt es am Charakter selbst, oder an der Geschichte,an beidem oder an einer völlig anderen Sache? Man überlegt und rätselt herum, bis sich irgendwann die Frage aufdrängt:

    Welche Eingeschaften machen eine Figur eigentlich zu einem beeindruckenden und glaubwürdigen Protagonisten?
    Wie viele Kanten und Eigenheiten dürfen oder müssen Protagonisten eurer Ansicht nach mitbringen, damit sie die Leser auch wirklich ansprechen und mitreißen können.

    Gibt es einen Unterschied in der Art, in der Leser und Autoren die Hauptfigur, den strahlenden Helden betrachten und bewerten?

    Und zu guter Letzt:
    Wie sehr dürfen/sollen/müssen sich die Protagonisten in der Story weiterentwickeln oder verändern?
    UND was passiert eigentlich, wenn der Storyheld plötzlich und unerwartet - eventuell durch ein besonderes Ereignis im Lauf der Geschichte - auf den Platz des Antagonisten rutscht?
    Gilt das als "Worst-Case-Szenario" oder als spannende Wendung?


  • Amanita
    Milchtrinker
    • 13.10.2023
    • 3

    #2
    Interessantes Thema. Ich würde aber gleich am Anfang behaupten, dass man diese Fragen nicht allgemeingültig beantworten kann, weil vieles davon eine Geschmackssache ist und bei unterschiedlichen Lesern sehr unterschiedlich ankommt.

    Als allgemeingültig würde ich mal betrachten, dass der Held nicht absolut perfekt sein sollte, sondern auch irgendwelche Schwächen haben sollte, um realistisch und interessant zu werden. Das Ganze sollte aber nicht so wirken, als ob der Autor einfach eine Liste abgehakt hätte, sondern in sich stimmig sein und ein rundes Gesamtbild abgeben. Welche Schwächen das sein dürfen und wie sich das auswirkt, hängt wieder vom Leser ab. Recht häufig vertreten sind Schwächen wie Alkoholprobleme, Schwierigkeiten mit Geld umzugehen, oder Schwierigkeiten im Beziehungsbereich. Das wird auch mehrheitlich akzeptiert, wobei der Alkohol schon Schwierigkeiten mit sich bringen kann.

    Ich persönlich habe auch nichts gegen einen Helden mit klaren Wertvorstellungen, der diesen auch treu bleibt, eher im Gegenteil. Gerade im Fantasybereich kann das durchaus eine gute Herangehensweise sein, auch wenn sie in den letzten Jahren etwas an Popularität verloren hat. Dagegen gibt es für mich Verhaltensweisen, die für mich nicht mit einer "Helden"rolle des Protagonisten zusammenpassen. Dazu gehört beispielsweise das Umbringen oder schwere Verletzen von Unbeteiligten, die ihm irgendwie im Weg stehen und jegliche Form von sexualisierter Gewalt. Damit möchte ich nicht sagen, dass Geschichten mit solchen Protagonisten für mich nicht in Frage kommen, aber es sind dann eben keine mehr, wo ein Konflikt zwischen Gut und Böse im Zentrum steht und man mir glaubwürdig vermittelt, dass der Protagonist der Gute ist.

    Eine Weiterentwicklung des Protagonisten schadet meiner Meinung nach nie, ist aber je nach Plot auch nicht zwingend erforderlich. Wenn man einen berufserfahrenen Krieger/Kommissar etc. hat, der das Böse bekämpfen muss, muss er sich dabei wegen mir nicht groß persönlich verändern, wobei das natürlich auch sein kann. Das hängt dann aber auch ein bisschen davon ab, welche Rolle diese Figur spielt. Ist er eine verlässliche Konstante in einer stürmischen Welt oder geht es darum, dessen Entwicklung im Zusammenspiel mit den Gefahren seiner Welt zu verfolgen?

    Den plötzlichen Wechsel vom Helden zum Antagonisten mag ich nicht und würde mich auch ärgern, das heißt aber nicht, dass es allen Lesern genauso gehen muss.

    Kommentar

    • Yamuri
      Kaffeejunkie
      • 04.09.2023
      • 337

      #3
      Ich kann das tatsächlich nicht beantworten. Denn es gibt bei mir kein Patentrezept, kein System. Nur weil mir ein Protagonist gefällt, muss das nicht heißen, dass mir ein anderer Protagonist auch gefällt, nur weil er dieselben Eigenschaften hat. Ich fürchte bei mir kommt das sehr stark auf meine individuelle Stimmung an, die wie das Wetter wechseln kann. Je nachdem wie ich mich fühle, nehme ich Figuren anders wahr.

      In Serien spielt allerdings die Optik eine große Rolle, ob ich die Figur äußerlich ansprechend, attraktiv und sympathisch finde oder nicht. Muss ich offen zugeben. Ist leider so, auch wenn ich gern weniger oberflächlich wäre. Aber im visuellen Medium möchte ich sehen, was mir optisch gefällt. Das betrifft aber nicht nur Figuren dann sondern auch die Landschaft und das Setting. Wenn das billig gemacht aussieht, ist das nicht schön. Es muss Atmosphäre vermitteln.

      Bei Büchern kommt es vielleicht auch etwas auf den Namen an. Es gibt Namen, die haben einen Klang, der mir positive Gefühle auslöst. Dann mag ichdie Figur einfach. Was ich auch mag ist, wenn mir die Denkweise des Protagonisten nicht nur durch Show gezeigt wird, sondern auch durch Tell vermittelt. Ich will wissen, was geht wirklich vor in der Figur. Denn sonst kann passieren, dass ich etwas völlig anders wahrnehme, als das vielleicht gedacht ist. Ich habe mal bei jemandem Betagelesen und Kommentare reingeschrieben, da war die Autor:in überrascht, weil ich die Erste war, die eine so andere Wahrnehmung auf das Szenario hatte.
      Ich mag generell intelligente Figuren, die eine hohe Selbstreflexion haben, die nachdenklich sind und sich Gedanken machen. Ob Antagonist oder Protagonist spielt da für mich keine Rolle. Tatsächlich fiebere ich mich den Antagonisten meist mehr mit. Ich glaube es gibt bisher keinen Protagonist, der mich mehr beeindrucken konnte, als manche Bösewichte. Bei den Bösewichten sind es vor allem die, die besonders intelligent und verschlagen sind, die mich beeindrucken. Wenn es jemandem gelingt, mich durch sein Verhalten wirklich zu überraschen, dann beeindruckt mich das. Meist tut es das aber nicht, vorallem Protas sind da eher schlecht darin.

      Ich mag gebrochene Figuren und graue Figuren, Figuren, die ambivalent in ihrem Wesen sind. Aber das alles ist ein "so ist das immer" Kriterium. Es sind einfach Aspekte, die mir gefallen, aber das heißt noch lange nicht, dass mir solche Figuren immer gefallen oder ausschließlich. Weil ich schlicht keine festgelegte Meinung und Ansicht dazu habe. Es ist alles im ständigen Wandel. Es kann heute so sein und morgen so, wie ich mich gerade fühle. Das wiederum bedeutet, dass Autor:innen am Besten fahren, wenn sie einfach schreiben, was sie möchten. Denn ob es mir gefällt, entscheidet sich erst im Moment des Lesens und nicht vorher.

      Ich denke, dass man außerdem bei der Definition von Antagonist aufpassen muss. Denn Antagonist bedeutet genau genommen nicht zwangsläufig, dass das der Bösewicht ist. Ein Protagonist muss auch nicht zwangsläufig der Gute oder der Held sein. Ein Protagonist kann auch der Bösewicht sein und der Antagonist der Held. Protagonist bedeutet erstmal nur, aus dessen Perspektive wird die Geschichte erzählt, das kann also auch eine Figur sein, die i Laufe der Geschichte ihrer eigenen dunklen Seite erliegt und zu einem Bösewicht wird. Deswegen ist sie aber noch kein Antagonist. Der Antagonist ist immer die Figur, die dem Protagonist im Weg steht, das kann auch eine moralisch gute Figur sein.​

      Edit: Und ich fürchte, ich hab' in meinem Text jetzt auch zeitweise Antagonist mit Bösewicht gleichgesetzt. Das ist eigentlich nicht korrekt.

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