Die Rückblende! Tolle Erweiterung, notwendiges Übel oder völlig überbewertet?

Einklappen
X
Einklappen
 
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Niam
    Redakteur
    • 05.09.2023
    • 82

    Die Rückblende! Tolle Erweiterung, notwendiges Übel oder völlig überbewertet?

    Ich würde gerne eine Frage in die Runde werfen.
    Was haltet ihr von Rückblenden?
    Sind sie zum besseren Verständnis einer Geschichte tatsächlich unbedingt notwendig?
    Und wenn ja – wie sollen sie verpackt sein, damit sie die Geschichte aufwerten und nicht wie ein Fremdkörper wirken?


    Es ärgert mich und nimmt mir den ganzen Spaß an einer Story, wenn z.B. ein Buch mit einer spannenden Szene beginnt, die plötzlich nach ein paar Seiten abbricht und dann die Überschrift ….. vor X Stunden/Tagen/Wochen/Jahren …. folgt​. Und wenn man ganz viel Pech hat, dann geht diese Rückblende vielleicht nicht nur über 2/3 Seiten, sondern über einige Kapitel oder im schlimmsten Fall sogar (fast) über das ganze Buch. Da frage ich mich immer ernsthaft: "Warum - um Alles in der Welt - hat der Autor nicht gleich bei diesem Rückblendezeitpunkt mit der Geschichte begonnen, sodass die Story gleich mit dem „Anfang“ beginnt?"
    Ehrlich, ich verstehe den Sinn dieses "anfütterns" nicht und ich könnte mir gut vorstellen, dass es viele Leser wie mich gibt, die sauer werden, wenn sie plötzlich aus einem spannenden Handlungsbeginn gerissen und statt dessen in eine - meist - langatmige "Damals-Rückblende" geworfen werden.


    Versteht mich bitte nicht falsch!
    Zusätzliches Wissen in Form von informativen und KURZEN! Gesprächen, Briefen, Tagebucheinträgen, Flashbacks usw. sind supertoll und werten Geschichten - finde ich - ungemein auf.
    Allerdings nur, solange diese kurzgehalten werden, für das Verständnis der Story unabdingbar sind, elegant in die Handlung miteingeflochten wurden und mich als Leser nicht wie ein „Stolperstein oder Fremdkörper“ rücksichtslos aus dem Leserfluss reißen.

    Wie ihr sehen könnt, habe ich ein sehr zwiespältiges Verhältnis zur Rückblende. Ich geben unumwunden zu, dass - wenn mir die Rückblende am Buchbeginn zu lange ist oder wenn alle paar Seiten/Kapitel mit solchen Reisen in die Vergangenheit „ausgeschmückt“ sind - ich das Buch endgültig zuklappe und auch nicht mehr aufschlage. Egal wie gut das Buch auch sonst gewesen wäre. Das permanente „aus der Handlung
    herausgerissen und in eine andere Zeit katapulitiert zu werden“ nimmt mir den ganzen Spaß an der Geschichte und lässt mein Interesse daran blitzartig verpuffen.

    Wie seht ihr das?
    Wie ist euer Verhältnis zu Rückblenden?
    Was würdet ihr Autoren raten, die Rückblenden in ihre Geschichten einbauen möchten?

  • Aidan
    Moderator
    • 03.09.2023
    • 249

    #2
    Interessantes Thema. Und eines, was ich auch eher zwiegespalten sehe.

    Richtige, langanhaltene Rückblenden müssen gut gemacht und platziert sein, damit sie nicht stören, und irgendeinen echten Sinn für die Geschichte machen. Wenn es in einer Geschichte darum geht, Vergangenheit aufzuarbeiten, aufzudecken, sich zu erinnern, was auch immer - dann gehört es dazu. Ich lasse meine Figuren auch schon mal träumen oder kurze Erinnerungsfetzen, bzw. Flashbacks durchleben. Die sind aber wirklich kurz, bieten etwas entweder zur Charakterisierung oder einen Hinweis auf die Geschichte. Das mag ich auch wenn ich es lese. Wenn allerdings der größte Teil einer Geschichte in Rückblenden erzählt wird und dadurch der Erzählfluss gestoppt wird, dann muss es dafür entweder eine sehr gute Begründung haben und vielleicht sogar das Thema des Buches sein, oder es wirkt so, als wäre es für das Buch besser gewesen, zu einem anderen Zeitpunkt die Geschichte zu starten.

    Wie bei den meisten Themen, sollte die Rückblende die Geschichte bereichern, vertiefen und weiter bringen. Wenn es eine andere Lösung gibt, sollte man sie in Betracht ziehen. Gut gemachte Rückblenden können dem Ganzen aber auch eine Würze geben oder eine Figur/Situation vertiefen.

    Kommentar

    • Araluen
      Moderator
      • 04.09.2023
      • 226

      #3
      Was ich nicht mag, sind Rückblenden, die nur dazu da sind, um Dinge zu erklären. In der Regel unterbrechen sie eine bis dahin recht spannende Szene, damit der Leser "versteht" warum eine Figur jetzt so handelt. Weniger ist dabei echt mehr. Tatsächlich verzichte ich lieber auf direkte Rückblendeszenen, da sie die Handlung unterbrechen, und bin auch beim Lesen froh, wenn ich weniger davon finde. Oft lässt sich der gleiche Zusammenhang in der laufenden Handlung durch einen kurzen Dialog oder ähnlich wiedergeben.
      Traumszenen und Flashbacks empfinde ich meist als sehr aufgesetzt. Gerade Traumszenen finde ich sehr schwierig. Oft sind sie sehr linear erzählt, ganz darauf bedacht die benötigte Information zu vermitteln. Nachdem man dann einer sehr normale Szene gelesen hat mit einem in der Regel sehr dramatischen Ende, kommt dann die Auflösung: nur geträumt! Nur Träume sind selten linear, geschweige denn rational. Ich glaube, die wenigsten Menschen träumen exakt Szenen aus ihrer Vergangenheit und schon gar nicht einer sinnvollen Handlung folgend. Mit Flashbacks ist es ähnlich. Die beschriebenen Szenen sind oft einfach zu lang, bekommen eher den Charakter einer Vision und nicht eines kurzen, aufflammenden Eindrucks.

      Was ich mag sind abgetrennte Rückblenden in Form von Zwischenspielen oder Tagebucheinträgen, Briefen usw. Eine der spannensten Rückblenden gab es für mich in "Schatten des Windes". Da wurde ein ganzes Kapitel einem Brief gewidmet und ich wollte so sehr wissen, was in diesem Brief steht. Denn dieser Brief war im Grunde das letzte Puzzleteil, das fehlte, um alle Ereignisse zu verknüpfen.

      Also wenn schon Rückblenden, dann müssen sie essenziell sein. Wenn sie die Handlung einer Figur in der laufenden Handlung nur erklären sollen, dann sind sie für mich überflüssig.

      Kommentar

      • Michael W
        Kaffeetrinker
        • 04.09.2023
        • 66

        #4
        Zitat von Niam
        Es ärgert mich und nimmt mir den ganzen Spaß an einer Story, wenn z.B. ein Buch mit einer spannenden Szene beginnt, die plötzlich nach ein paar Seiten abbricht und dann die Überschrift ….. vor X Stunden/Tagen/Wochen/Jahren …. folgt. Und wenn man ganz viel Pech hat, dann geht diese Rückblende vielleicht nicht nur über 2/3 Seiten, sondern über einige Kapitel oder im schlimmsten Fall sogar (fast) über das ganze Buch.​.
        Das kann ich gut nachvollziehen. Mir stellt sich aber die Frage, ob das nicht eher daran liegt, dass die Rückblende schlecht umgesetzt ist. Wenn sie völlig aus dem Nichts auftaucht, dann stört es höchstwahrscheinlich, aber sie kann ja vorher schon angedeutet werden. Oder ist es dann nicht mehr das, was du eine Rückblende nennen würdest?
        In H. G. Wells Die Zeitmaschine erzählt der Protagonist ja auch seine Reise in Form einer Rückblende nach. Die Rahmenhandlung nimmt nur einen kleinen Teil des Buches ein und dient dazu, für eine passende Stimmung zu sorgen.

        Das macht für mich eine gelungene Rückblende aus: Wenn sie in der Geschichte logisch eingebunden ist. Dabei spielt der Umfang nicht zwingend eine Rolle.

        Kommentar

        • GretaF
          Milchtrinker
          • 28.12.2023
          • 28
          • 💫

          #5
          Ich teste gerade eine mittige einzelne Szene als Rückblende zu gestalten. Die Protagonistin müsste eigentlich flüchten und hat das noch nicht geschafft, weil sie gerade eher passiv ist und wenn man das alles in richtiger Reihenfolge erzählt, ist es irgendwie langweilig. Jetzt ist sie an dem Punkt, wo sie wirklich mal handeln müsste und denkt darüber nach, warum sie noch nicht weg ist. Die Story ist aber wichtig, weil sie die Welt erklärt (die sie schön findet und in der sie gerne bleiben würde)
          Ich bastle aber noch.
          Schwierig finde ich dabei auch die Grammatik. Ich wechsle deswegen illegal vom eigentlich richtigen Plusquamperfekt ins Präteritum und dann wieder zurück.
          Habt Ihr Erfahrungen mit sowas?

          Kommentar

          • Araluen
            Moderator
            • 04.09.2023
            • 226

            #6
            Eigentlich werden Rückblenden so erzählt, als würden sie gerade stattfinden. Wenn du die Geschichte also im Praeteritum erzählst, findet auch die Rückblende im Praeteritum statt. Daher ist es auch wichtig, Rückblenden als solche irgendwie zu kennzeichnen (wenigstens durch eine Leerzeile vom restlichen Text absetzen).

            Kommentar

            • Yamuri
              Kaffeejunkie
              • 04.09.2023
              • 337

              #7
              Ich mag' Rückblenden, wenn sie zur Geschichte passen und gut gemacht sind.

              Ich selbst habe Rückblenden in meinem Mysterythriller und auch in meiner Science-Fantasy Reihe.
              Im Mysterythriller ist quasi der Prolog ein Ereignis aus der Vergangenheit und es gibt ein Kapitel, das auch in der Vergangenheit spielt. Mir hat die Lösung besser gefallen eine Rückblende zu machen als eine andere Figur einen Monolog halten zu lassen. Auf diese Weise konnten ein paar Figuren schon früher vorgestellt werden und ein erster Blick auf ihre Beziehung zueinander gezeigt. Mein Anliegen dabei war tatsächlich weniger Tell und dafür mehr Show reinzubringen. In Form eines Dialogs wäre es nur Tell gewesen und das fand ich in diesem Fall unschön, obwohl ich an sich dem Tell nicht abgeneigt bin.
              In meiner Science-Fantasy Reihe habe ich in Band 2 den Fall, dass eine Figur unter Amnesie leidet und Erinnerungssplitter sucht. Immer wenn die Figur mit einem Splitter oder einer Jadequelle in Kontakt kommt, bekommt er traumartige Visionen von der Vergangenheit und sieht kurze Ausschnitte. Hier nutze ich tatsächlich mehr Tell und führe Leser narrativ in den Traum hinein und wieder hinaus. Innerhalb des Traums gibt es aber Handlungsfetzen, die auch durch Show dargestellt werden.
              Manche Informationen aus der Vergangenheit bringe ich aber bewusst durch Dialoge unter. In Band 1 sprechen zwei Figuren über Ereignisse aus der Vergangenheit. Da passte es einfach besser, dass Figur A Figur B davon erzählt.

              Ich denke, es muss zum Kontext passen.​

              Kommentar

              Lädt...