Romananfänge - Aller Anfang ist schwer

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  • Araluen
    Moderator
    • 04.09.2023
    • 226

    Romananfänge - Aller Anfang ist schwer

    Heute kam eine interessante Frage im Discord auf und die möchte ich hier doch einmal festhalten: Wie fängt man am besten mit einem Roman an? Steigt rasch und actionreich in die Geschichte ein oder lässt man sich lieber Zeit, um Figuren und Setting erst näher zu beleuchten? Wie wäre es direkt mit einem Dialog zu starten? Brauchen Romane einen Prolog oder nicht oder sind sie wirklich Teufelszeug?
    Wie seht ihr das?
  • Niam
    Redakteur
    • 05.09.2023
    • 81

    #2
    Ich finde, dass es bei Romananfängen ganz auf die Geschichte, das Genre, das Zielpublikum und den eigenen Schreibstil ankommt.
    Wenn der Schreibstil nicht zur Geschichte passt, ist nützt der beste Romananfang nichts. Darum gilt es - finde ich schon zu Beginn zu entscheiden, wie soll meine Geschichte angelegt sein.
    Humorvoll, witzig oder lieber sachlich? Schlicht, direkt und ohne viel drumherum Gerede oder eher üppig und wortreich?
    Wie überall ist auch hier eine gewisse Ausgewogenheit wichtig, denn der gewählte Schreibstil sollte sich dann schon durch das Buch ziehen. Dann kommt es natürlich auch auf dsa Genre an.

    Eine Saga, die auf kurze Rückblenden und/oder miteingeflochtene Erklärungen zurückgreift, damit die Leser die Geschichte in ihrer Tiefe verstehen könnte z.B. mit einem Prolog, einem Brief oder einem Tagebucheintrag begonnen werden. Vielleicht ziehen sich diese Tagebucheinträge oder Briefe auch statt der Rückblenden, an geeigneten Stellen - quasi als Kapitelbeginn z.B. wenn die Orte oder Sichtweisen wechseln - auch z.B. durch eine ganze Buchreihe.
    Für einen Actionroman würde ich das aber weniger empfehlen und dort vielleicht gleich - ganz in der Erwartungshaltung einer temporeichen Story - mit einer Actionszene einsteigen.
    Bei einem Krimi allerdings wäre es möglicherweise sinnvoll mit der ersten Mordszene, der Suche nach einer verschwundenen Person oder einem Leichenfund zu starten.
    Ein Frauen- oder Liebesroman könnte die Handlung vielleicht mit einem Streitgespräch, einer Diskussion oder einer unerwarteten Begegnung beginnen, während es bei einem Kinder/Jugendbuch bestimmt kein Fehler ist, wenn zuerst die Hauptfiguren durch ihre Handlungen vorgestellt werden, während sich die Geschichte altersgerecht weiterentwickelt.
    Bei einer Abenteuer- Fantasy- Sci-Fi-Geschichte bieten sich - je nach Plot und aus welcher Sicht geschrieben wird - unheimlich viele Einstiegsmöglichkeiten an.
    Vom Fund eines Tagebuches "Meine Tage sind gezählt, darum ..." über Tag und Ortsbeschreibungen wie z.B. "Es begann am x. Tag im Jahr xxxx im Kaiserreich..... Unsere Karawane ..." und Einleitungen wie "Ich hätte nie gedacht, dass ....." oder "Wer glaubt, dass es einfach ist ..." usw... über direkte Sprünge in z.B. eine Action- ... "Imre riss sein blutiges Schwert hoch und blockte mühsam den wütenden Schlag des brüllenden....." oder Familienszene "Verschwinde! Wie konntest du..." oder eine Szenenbeschreibung wie z.B. "Lilly war eine hervorragende Schülerin und das Vorbild, das die Lehrer ihren Schülern immer wieder vor die Nase hielten. Bedauerlicherweise sah sich diese strahlende Perfektion einer Schülerin in diesem Moment gezwungen, ihren Verstand dazu einzusetzen um die Leiche des Schuldirektors vor ihr, fachgerecht - und vor allem spurlos - verschwinden zu lassen...."

    Romaneinstiege sind so vielfältig, wie ihre Autoren und das ist eine tolle Sache. So wichtig es auch ist, dass der Anfang zum Genre und zum Schreibstil passt, sollte man sich auf jedne Fall besonders auf das eigene Bauchgefühl verlassen. Denn nur Lesestoff, der dem Autor selbst gut gefällt, wird auch die Leser ansprechen können.
    Zudem wird es immer jemanden geben, der alles kritisiert und besser weiß. 😉
    Geschmäcker sind halt verschieden und es ist hilfreich, sich vor Augen zu halten, dass kaum einer dieser "Meckerer" jemals selbst ein (ansprechendes) Buch geschrieben hat, sondern meistens eher auf der Leserseite zu finden ist.

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    • Araluen
      Moderator
      • 04.09.2023
      • 226

      #3
      Da hast du auf jeden Fall einen Punkt Niam. Der Romananfang muss zu Genre, Geschichte, Zielpublikum und eigenen Schreibstil passen. Ein Patentrezept gibt es daher, denke ich, auch gar nicht.

      Aus Lesersicht mag ich allzu actionreiche Einstiege nicht. Ich werde nicht gerne mitten in eine actionreiche Szene geworfen. In diesem Moment packt mich keine Spannung, da mir alle Beteiligten egal sind, weil ich sie noch nicht kenne. Ich hätte gerne zumindest einen oder zwei Absätze Zeit, in denen sich mir die Hauptfigur kurz vorstellt und ich einen Moment Zeit habe, um mich zu orientieren. Das andere Extrem: Seitenweise Figurenvorgeschichte/-alltag zuzüglich vorgestelltem Worldbuilding holt mich auch nicht ab. Ich muss nicht direkt die gesamte Lebensgeschichte der Figur vorgekaut bekommen, um mich mit ihr verbunden zu fühlen. Ich brauch nur einen Grund, warum diese und keine andere Figur die Geschichte erlebt. Auch die Welt muss mir nicht im Detail vorgestellt werden. Ein paar Grundpfeiler sind nett, aber ich erschließe mir die Welt gerne Stück für Stück.

      Bei einem Krimi mit dem Fund der Leiche zu starten oder mit der Ermordung des Opfers, nimmt bei mir da tatsächlich eine Sonderstellung ein. Eigentlich würde das ja mehr unter Actioneinstieg fallen, auch wenn ein Leichenfund meist recht ruhig daher kommt. Aber man wird mitten in eine Handlung hinein geworfen, wie bei einer Actionszene. Das stört mich hier aber nicht. Das liegt für mich persönlich daran, dass die Hauptfigur eines Krimis - der Ermittler - für mich mehr ein Werkzeug ist und daher zweitrangig. Bei einem Krimi dreht sich die Geschichte nicht um den Ermittler, sondern um den Fall (und ich mag Krimis nicht, bei denen es anders ist).

      Prologen stehe ich großteils eher negativ gegenüber. Die meisten Geschichten funktionieren einfach auch ohne. Statt echten Prologen erhält man auch oft aus dem Zusammenhang gerissene Szenen aus der Vergangenheit, paralleler Handlungen oder der Zukunft der Handlung, die durch ihre Zusammenhangslosigkeit Spannung erzeugen sollen. Das sind für mich keine guten Prologe.
      Ich gehöre zwar nicht zu den Leuten, die aus Prinzip keine Prologe lesen. Aber ich würde dazu raten, eine Geschichte erst einmal ohne Prolog zu schreiben und am Ende zu schauen, ob der Prolog das Gesamtpaket wirklich bereichert oder in Sperrgut verwandelt.

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      • Niam
        Redakteur
        • 05.09.2023
        • 81

        #4
        Ich finde die meisten Einstiege recht spannend, Araluen auch die Actioneinstiege, besonders, wenn dabei auch gleich die Figur(en) in dieser Szene durch ihre Handlungen und Dialoge vorgestellt bzw. charakterisiert weden - kurz die Figur dadurch langsam Farbe bekommt.

        Bei dem Thema "Prolog" gebe ich dir völlig recht. Hier ist es, finde ich, wie auch mit den unterschiedlichen Szenen in den Geschichten selber...
        Ganz genau so, wie du geschrieben hast: Wenn es die Geschichte nicht bereichert, wichtige Informationen liefert und voran bringt, sollte es besser weggelassen werden.

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        • Araluen
          Moderator
          • 04.09.2023
          • 226

          #5
          Also wenn die Actionszene es schafft, bei all dem Rumgeballer (überspitztes Beispiel) noch die Figur näher zu bringen, sodass es mich interessiert, ob sie überlebt, dann bin ich da auch dabei. Oft kommt es mir aber eher unter, dass ich als Leser ins eiskalte Wasser geworfen werde und erstmal schauen muss, wie ich an die Oberfläche komme und Orientierung gibt es auch nicht. Ich meine damit wirklich Actioneinstiege, wo es um Leben und Tod geht.
          Passieren darf gerne was von Anfang an

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          • Aidan
            Moderator
            • 03.09.2023
            • 249

            #6
            Danke, Araluen, dass du das Thema hier aufgegriffen hast. Und danke, euch beiden, über eure Gedanken dazu. Ausgelöst hat die Frage für mich die Rückmeldung meines Mannes, dass es ihm bei beiden Büchern von mir fast zu schnell ging, ich bei beiden aber spontan nicht wusste, wie es sinnvoll zu ändern wäre. Beide lassen den Figuren ein paar Absätze, dann geht es los. Beim Leilarim habe ich inzwischen eine Idee, was ich ganz kurz vorweg einbauen könnte, aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich Sinn macht. Also - werde ich es vorbereiten und mich vertrauensvoll an meine Betaleser wenden mit der Frage, was ihr Eindruck dazu ist.

            Witzigerweise kann ich selber nicht mal so genau sagen, was für mich einen gelungen Anfang ausmacht - außer dass es zu den Figuren und der Geschichte passen muss. Aber das weiß man ja selten vor dem ersten Satz. Ich glaube, es geht mir da sehr ähnlich wie euch. Manchmal passt "erst handeln, dann denken" hervorragend, manchmal muss aber erstmal stimmungsvoll die Sonne aufgehen oder etwas ähnliches, insgesamt aber nicht zu langatmig. Karl May Landschaftsbeschreibung am Anfang über ein halbes Kapitel - dann muss die schon sehr faszinierend geschrieben sein. Irgendwann habe ich mal gelernt, man solle eher schnell und actionreich einsteigen, fand ich nicht allgemeingültig passend.

            Früher fand ich Prologe mal toll, keine Ahnung warum, inzwischen stehe ich ihnen sehr reserviert gegenüber. Es gibt eine Geschichte von mir, die habe ich mit Prolog angefangen, da könnte ich mir vorstellen, dass er sogar passt und bleibt, aber insgesamt habe ich das Gefühl, sie lenken eher ab oder sie wirken, als würde der Anfang der eigentlichen Gesichte nicht optimal gewählt sein. Alles immer mit Ausnahmen.

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            • Yamuri
              Kaffeejunkie
              • 04.09.2023
              • 337

              #7
              Ich glaube es gibt keine allgemeingültige Empfehlung dafür, was ein guter Anfang ist. Denn wir haben alle unterschiedliche Präferenzen. Was mir gefällt, gefällt einer anderen Person gar nicht und umgekehrt. Ich mag z.B. keine Dialoge am Anfang eines Buches. Bei Kapitelanfängen finde ich es nicht so schlimm. Doch am Anfang eines Buches habe ich das Gefühl, ich würde irgendwo mitten drin anfangen oder einen Band 2 lesen. Vielleicht ist das so, weil ich vor vielen Jahren mal versehentlich einen Band 3 gekauft habe und der fing mit wörtlicher Rede an. Ich war komplett verwirrt und später habe ich irgenwo im Buch dann winzig klein einen Hinweis darauf entdeckt, dass das gar nicht Band 1 ist. Kein Wunder, dass ich das Gefühl hatte mir fehlt inhaltlich die Hälfte. Mich hat dieses Erlebnis so stark geprägt, dass ich seither um Dialoge am Buchanfang einen riesigen Bogen mache. ^^

              Prologe mag ich, egal wie sie geschrieben sind. Es stört mich aber nicht, wenn es keinen Prolog gibt. Nicht jedes Buch benötigt einen Prolog. Manchmal genügt auch so ein kleines Gedicht am Anfang, oder ein Vermerk, der den Eindruck erweckt, der Erzähler würde den Leser ansprechen. Das würde ich dann noch nicht zwingend als einen Prolog klassifizieren. Also sowas wie wir am Anfang haben bei Star Wars, ist für mich tatsächlich noch gar kein echter Prolog.

              Interessant finde ich, dass wenn ich nach einer Definition suche, ich Artikel finden, die Prolog und Vorwort gleichsetzen. Für mich ist das etwas unterschiedliches. Wie seht ihr das? Ein Vorwort ist für mich ein sachlichbezogener Text, der auch eine Danksagung oder ein paar Hintergrundinformationen enthalten kann. Ein Prolog ist für mich immer ein narrativer Text, der eine Handlung enthält oder aus der Perspektive des Erzählers geschrieben ist und eine Art "Es war einmal..." enthält.

              Ich habe das Gefühl, es herrscht bezüglich des Begriffs und seines Verständnisses Unklarheit.​

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              • Araluen
                Moderator
                • 04.09.2023
                • 226

                #8
                Der Prolog kommt ja ursprünglich aus dem Drama und war dort tatsächlich eine Art Votwort, um Setting und grob die Handlung zu umreißen. Da stand sann ein Darsteller vor dem geschlossenen Vorhang und sprach direkt zum Publikum.
                spontan fällt mir da der Anfang von Romeo und Julia ein.
                Daher die synonyme Verwendung von Prolog und Vorwort.
                In Romanform haben sich Prolog und Vorwort, etzteres in der Regel von Autor oder Herausgeber, aber auseinander entwickelt.
                Der Romanprolog beinhaltet heute eine Szene außerhalb der Rahmenhandlung, welche der Rahmenhandlung vorangestellt wird zu welchem Zweck auch immer.

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