Warum wurde mein Buch so und nicht anders bewertet? Und wie fair sind Rezensionen eigentlich?
In vielen Fällen sind Rezensenten selbst begeisterte Leser und geben ihre persönliche Meinung zum Buch/Hörbuch/Film… in unterschiedlicher Länge und Form wieder. Natürlich unterscheiden sich Rezensionen auch im Aufbau und im Stil - je nachdem in welchem Medium sie veröffentlicht werden sollen. Eine Buchrezension z. B. auf Amazon wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit anders lesen, als eine Buchbesprechung in einem Literaturportal oder in einer (Technischen) Zeitschrift, da sie auch unterschiedliche Leser ansprechen soll.
Was sind nun die vorrangigsten Kriterien bei einer Buchbesprechung?
Bei einer Buchbesprechung ist (zumindest mir) natürlich zuerst der Plot, die „rote Linie“, die Handlung enorm wichtig.
- Was soll mir die Geschichte eigentlich sagen? Ist sie überzeugend und „logisch“ aufgebaut?
- Ist der Handlungsablauf bis zum Ende klar ersichtlich und nachvollziehbar?
- Agieren die Figuren charaktergemäß, im Rahmen ihrer Fähigkeiten und glaubwürdig oder haben sich die Figuren zwischendurch selbstständig gemacht?
- Folgt der Autor seinem Plot oder hat er sich in Nebensächlichkeiten und Nebenschauplätzen verstrickt?
- Und - nicht zu vergessen - führt die Geschichte zu einem zufriedenstellenden, überzeugenden Ende.
Die Storyline
Natürlich sollte es keine schnurgerade Linie von A nach B sein, das wäre ja enorm langweilig, eintönig und nicht wirklich ansprechend.
Spannende Umwege, herbe Rückschläge, unerwartete Schicksalsschläge oder andere glaubhafte Katastrophen und „Zufälle“, die in die Geschichte passen und sie weiterbringen, halten den Spannungsbogen hoch und die Leser „bei der Stange“. Dennoch sollte das Ende der Geschichte dann bei dem angepeilten B landen und sich nicht verzetteln, verlaufen und zerbröseln.Somit ist es ein wichtiges Kriterium, ob die Grundidee der Handlung oder auch des jeweiligen Sachthemas vom Beginn bis zum Ende gut erkennbar und ernsthaft durchgezogen wird.
Stil und Sprache
Ein wichtiger Punkt ist dann natürlich auch der Schreibstil und die gewählte Sprache.
Ein Sachbuch wird natürlich etwas anders geschrieben als ein Roman und da gibt es die unterschiedlichsten Herangehensweisen der verschiedenen Autoren.
Gerade in der Belletristik ist es für die Rezensenten oft nicht einfach komplett „neutral“ zu kommentieren, da natürlich auch jeder Rezensent seinen eigenen Lesegeschmack hat. Einige lieben Geschichten, die in der „Ich-Form“ geschrieben sind, andere bevorzugen „Er/Sie/Es“, ich habe sogar schon Erzählungen gesehen, die in der „Du-Form“ geschrieben waren.
Vergangenheit, Gegenwart und die gemeinen Rückblenden
Ob Vergangenheits- oder Gegenwartsform, flott erzählt oder akribisch genau beschrieben… Jeder Rezensent bevorzugt etwas anderes und bewertet ein Buch natürlich nach seinen eigenen Kriterien, wobei es natürlich hilfreich ist, schon im Vorfeld in die Leseproben hineinzulesen um einen ersten Einblick zu gewinnen, ob das Buch der eigenen Vorstellung entspricht oder nicht.
Ich selbst kann beispielsweise lange Rückblenden absolut nicht ausstehen und – ich gebe es unumwunden zu – wenn ein Buch mit einem spannenden Kapitel beginnt und kurz darauf mit „Vor drei Jahren“ weitermacht (und diese Rückblende dann womöglich den größten Teil oder sogar den Rest des Buches einnimmt) erlischt mein Interesse an dem Buch nahezu sofort. (Zum Glück gibt es die segensreiche Erfindung der Leseproben. Sofern also die Leseprobe gleich mit einer Rückblende ausgefüllt ist, muss mich das Thema schon enorm reizen, dass ich das Buch anfrage und lese.)
Protagonisten, Antagonisten, Witwen und Waisen
Einen ganz wichtigen Punkt nehmen natürlich die Figuren ein.
- Wie werden die Figuren eingeführt?
- Sind sie glaubwürdig, sympathisch, hassenswert,… Kurz - wecken sie Gefühle in den Lesern?
- Hat sich der Schreiberling nur den Protagonisten und Antagonisten gewidmet, oder hat er sich
mit allen vorkommenden Personen in seiner Geschichte richtig beschäftigt und sie mit Fleisch,
Blut und einem eigenen Leben versehen?
- Werden die Figuren dreidimensional, facettenreich und gut vorstellbar gezeigt und nicht bloß
einfach beschrieben?
- Haben sie ein Privat- und ein Arbeitsleben, vielleicht ein turbulentes Familienleben?
- Kann man die positiven und negativen Seiten der Personen nachvollziehen und
charakterisieren sie sich durch ihre Handlungen und ihre Gespräche?
- Kann man sich als Leser mit ihnen identifizieren und sich in sie hineinfühlen?
- Passen die Charaktereigenschaften zur Figur und zu ihrer Rolle und wirken sie glaubwürdig?
- Und – machen sie im Lauf der Geschichte durch ihre Erfahrungen einen Wandel durch und /oder wachsen sie über sich hinaus?
- Kurz – sind sie lebendig oder sind sie nur blasse 0-8-15 Abziehbilder?
Cover, Bilder, Zeichnungen, Gestaltung
Wenn die Rezensionsbücher in gedruckter Form angekommen sind, ist auch die Buchaufmachung ein großes Thema.
- Passt die grafische Covergestaltung zum Titel? Passt der Titel zur Geschichte?
- Und wie sieht es mit dem Rückseitentext aus? Ist er informativ, neugierig machend und
umfasst er die Hauptaussage, den Inhalt, die „Essenz“ des Buches?
- Welche Formatierung wurde gewählt? Gut lesbar, mit einer angenehmen Schriftgröße?
- Wie schaut es mit dem Inhaltsverzeichnis aus? Gibt es eines und wenn ja, wie ist es aufgebaut? - Gibt es Zeichnungen, Illustrationen oder Fotos im Buch?
- Ist das Buch in Kapitel aufgeteilt und wenn ja - sind diese nummeriert, mit einem Sticker oder
mit einer zusammenfassenden Überschrift versehen? Vielleicht sind sie ja durch eine
Zeichnung, eine Abbildung oder eine Leerseite voneinander abgegrenzt. Wie lange sind die
Kapitel und fördern sie die Übersichtlichkeit des Buches oder hemmen sie sie.
- Wie viele Seiten umfasst die Publikation, wie ist sie aufgemacht, aus wie vielen Kapiteln setzt
sie sich am Ende zusammen?
- Gibt es Fußnoten?
- Ein Glossar, Erklärungen, Anmerkungen, Buchempfehlungen, ein Register….
- Ist es ein Taschenbuch oder ein gebundenes Werk - geklebt oder gebunden, wurde qualitativ
hochwertiges Papier verwendet und wie ist der Gesamteindruck auf den Leser.
Der Anhang
Im Anhang finden sich oftmals eine Danksagung, die Autorenvita, vor allem bei Sach/Fachbüchern oder Ratgebern immer auch ein Stichwort- und oft auch ein Bilderverzeichnis, eine Bibliografie oder auch Buchempfehlungen.
Auch hier schaut man als Rezensent hin, ob es übersichtlich und ansprechend angefügt wurde.
Bei jedem Buch ist natürlich auch die Autorenvita ein Thema.
- Spricht die Vita des/der Autoren die Leser an?
- Haben mehrere Personen an dem Buch gearbeitet und steht vielleicht von allen eine aussagekräftige Kurzvita mit Bild zur Verfügung.
Wie überall ist natürlich ein Farbbild und ein mehrzeiliger Text wesentlich ansprechender als zwei kurze Sätze ohne Bild.
Fazit und Bewertung
Dann folgt das kurze Fazit – eine Kurzeinschätzung des Werkes mit knapper Begründung, bevor es an die Punkte/Sterneverteilung geht, die so manches Mal Kopfzerbrechen bereitet.
Denn oft grübelt man recht lange, wie viele Sterne/Punkte/Buchumschläge man vergeben soll.
- Wie soll man z. B. ein Buch fair bewerten, das rein technisch perfekt nach Plan gestaltet wurde,
dem aber der Funke gänzlich fehlt, der auf den Leser überspringen soll und es lebendig macht?
- Oder - es hapert am Plot und am logischen/glaubwürdigen Ablauf, aber die Figuren sind so
genial gestaltet, dass erst am Ende die Ungereimtheiten richtig ins Auge fallen.
- Vielleicht ist es ja auch umgekehrt, und die Storyline ist genial, aber die Hauptfiguren sind
einfach nicht passend, ansprechend oder eventuell richtiggehend unsympathisch. Vielleicht
übernimmt aber auch kurzerhand eine Nebenfigur nach und nach den Part einer Hauptfigur.
- Oder die Geschichte zieht sich und zieht sich wie ein Kaugummi, weil Nebensächlichkeiten, die
nicht relevant sind, so übergenau beschrieben werden, dass es nur mehr nervt.
- Möglicherweise wurde eine völlig neue Welt mit eigenen Gesetzen und Limits von Flora, Fauna
und unterschiedlichen Figuren kreiert, an die sich der Autor aber nur nach Lust und Laune hält.
Bei Sachbüchern oder Ratgebern ist die Bewertung meistens etwas einfacher…
Warum man als Autor eine Rezension nicht persönlich nehmen sollte
Egal welche Idee, welches Genre oder Thema behandelt wird, ein Buch ist meistens eine ganz besondere Herzensangelegenheit des Autors und es steckt viel Begeisterung, Mühe und Arbeit dahinter, bis man das gedruckte Werk in den Händen hält. Als Leser oder manchmal auch als Rezensent, schiebt sich das nicht immer gleich als wichtiges Kriterium ganz vorne ins Bewusstsein.
Die Rezensenten sind üblicherweise begeisterte Leser, die sich auf bestimmte Genres einlassen und ein Buch nach ihren ganz persönlichen Maßstäben und Geschmack bewerten. Und diese Geschmäcker sind nun einmal ganz verschieden. Darum wird es bei den Rezensionen auch immer eine ganze Bandbreite an unterschiedlichen Beurteilungen der Leser geben, die den Roman, das Comic, Kinder- oder Sachbuch, nach ihren ganz persönlichen Kriterien bewerten.
Ist die Kritik konstruktiv und gut begründet, sollte man sie vielleicht als zusätzliche Anregung nehmen, um die nächsten Texte auf die gut nachvollziehbaren oder auch auf bisher eher unbeachtete Kriterien kurz zu überprüfen. Denn als Autor, Texter usw. ist man unbewusst manchmal etwas „Betriebsblind“ und es kann enorm hilfreich und nützlich sein, eine kritische Stimme anzuhören und gewisse Textpassagen unter einem anderen Blickwinkel "neu" zu lesen.
Natürlich ist nicht jede Kritik hilfreich und nicht jede Buchbesprechung sollte man sich zu Herzen nehmen. Es gibt - wie überall - "berufsmäßige Meckerer" unverbesserliche Besserwisser und auch Neider.
VOR ALLEM: Die besten Geschichten und Abenteuer sind ohnehin immer jene, die der Autor geschrieben hat, weil er sie selber lesen wollte und es diese Story bisher leider noch nicht gegeben hat.
Und um das alte Sprichwort zu bemühen – Jedem immer Recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann …
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